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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nonchalant er in Miene und Gesten seine neue Bedeutung zur Schau trug. Aber schädigte diese Eitelkeit das Land? Zeigte nicht vielmehr Don Manuel den guten Willen, Fortschrittliches zu fördern? Nützte er nicht seine Popularität für wohltätige Reformen?
    Die Maßnahmen des Príncipe de la Paz, meinte Jovellanos, seien halbherzig. Das Wesentliche sei und bleibe der Kampfgegen die Inquisition, gegen die Kirche, und vor dem Klerus weiche der Minister mit der gleichen abergläubischen Furcht zurück, wie sie der Pöbel vor dem Heiligen Offizium zeige. Jeder ernsthafte Reformversuch aber, eiferte er weiter mit seiner polternden, fanatischen Stimme, müsse gerade die Entmachtung des Klerus zum ersten Ziel haben. Denn der Grund allen Übels sei die von der Kirche behütete und geförderte Unwissenheit der Massen. Was man da in Madrid erlebe, sei finster genug, aber die Ignoranz und der Aberglaube in den Provinzen sei herzbeklemmend. Don Francisco möge sich einmal von Doktor Peral dessen Kollektion gewisser kleiner, wächserner Jesusbilder zeigen lassen; der Doktor habe sie durch Vermittlung eines Klostergärtners erhalten. »Die Nonnen«, erzählte er, »hatten mit diesen heiligen Figuren gespielt wie mit Puppen. Bald hatten sie ihr Jesuslein als Priester angezogen, bald als Richter, bald als Doktor mit Perücke und goldknopfigem Stock. Und wie soll man in diesem Land hygienische Vorschriften durchführen, wenn sogar eine Herzogin von Medina Coeli ihrem erkrankten Sohn einen pulverisierten Finger des Heiligen Ignatius eingibt, zur Hälfte als Suppe, zur Hälfte als Klistier? Die Inquisition aber geht gegen einen jeden vor, der die Wundertat solcher Mittel zu bezweifeln wagt.«
    Auf einmal indes unterbrach er sich und sagte lächelnd: »Entschuldigen Sie, ich bin ein schlechter Hausherr. Ich setze Ihnen den bittern Trank meines Unmuts vor, statt Wein und was zu essen.« Und er ließ Hipocrás bringen, Pajarete, Früchte, Pasteten und Konfekt.
    Man sprach jetzt von Bildern und Büchern. Der Abate forderte den jungen Quintana auf, ein paar seiner Gedichte vorzulesen. Der zierte sich nicht lange. Doch zog er es vor, ein Prosastück zu lesen von einer etwas gewagten neuen Art. Es sei eine kurze Biographie, erklärte er seinen Hörern, entsprechend jenen kleinen Porträts, jenen »Miniaturen«, wie man sie früher Büchern vorangestellt habe und wie sie jetzt wieder in Mode kämen.
    Und da alle zustimmten, las er ein Lebensbild des Dominikaners Bartolomé Carranza, Erzbischof von Toledo, des glänzendsten Märtyrers der Inquisition.
    Immer noch, dreihundert Jahr nach
    Seinem Tod, war es verboten,
    Ihn zu rühmen. Trotzdem sprachen
    Sie im Volke überall von
    Ihm, von seinen heil’gen Worten,
    Seinen heil’gen Taten, hoch ihn
    Preisend. Freilich sprachen sie nur
    Flüsternd.

6
    Don Bartolomé Carranza zeichnete sich schon in jungen Jahren als Professor der Theologie aus und galt bald als der erste Kirchenlehrer Spaniens. Karl der Fünfte schickte ihn als seinen Vertreter zum Konzil von Trient, wo er seinem Land und der Kirche außerordentliche Dienste leistete. Karls Nachfolger, König Philipp der Zweite, den er in England und in Flandern mit geistlichem und politischem Rat betreut hatte, machte ihn zum Erzbischof von Toledo und damit zum Primas des Reiches. Carranzas strenge Ansichten von den Pflichten des Priestertums und seine außerordentliche Mildtätigkeit verschafften ihm überall in Europa den Namen des würdigsten Kirchenmannes seiner Zeit.
    Allein er war kein Politiker; seine hohe Stellung, sein Ruhm, seine unnachsichtig harten Urteile, wenn es um die Pflichten des hohen Klerus ging, erweckten Neid und Feindschaft.
    Sein bitterster Gegner war Don Fernando Valdés, Erzbischof von Sevilla. Carranza hatte ihn, freilich indirekt, durch ein theologisches Gutachten gezwungen, aus den Einkünften seines Erzbistums fünfzigtausend Dukaten Kriegssteueran König Philipp zu entrichten, und Don Fernando Valdés war ein geldgieriger Mann. Später gar hatte ihm Carranza die reichste Pfründe des Landes weggeschnappt, eben das Erzbistum Toledo mit seinen acht bis zehn Millionen Jahresrente. Don Fernando Valdés wartete auf die Gelegenheit, Carranza zu demütigen.
    Diese Gelegenheit fand sich, als Valdés zum Großinquisitor ernannt worden war. Erzbischof Carranza hatte einen Kommentar zum Katechismus verfaßt, der viel gerühmt, aber auch viel angefeindet wurde. Der gelehrte Dominikaner Melchor Cano, den Carranza durch

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