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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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auf ihn zurückzuführen. Der stolze Mann hätte, wie er selber schrieb, es nicht ertragen, wenn Carranza wieder in sein Erzbistumeingesetzt worden wäre. Der König und der Erzbischof konnten nicht unter einem Himmel leben, und der König hielt es für sein ihm von Gott verliehenes Recht, sich des Gegners zu entledigen, auf welche Art immer.
    Und er schrieb dem Papst, das Urteil
    Scheine manchem span’schen Priester
    Von Erfahrung und von Weisheit
    Allzu mild. Doch anerkenne
    Er des Papstes ernste Mühe
    Um ein frommes und gerechtes
    Urteil. Dies besonders, da ja
    Gottes Hand bereits das rechte
    Mittel angewandt, um weitre
    Übel zu verhüten, die des
    Papstes milder Spruch bewirken
    Hätte können.

7
    Die Geschichte des Erzbischofs, Heiligen und Ketzers Don Bartolomé Carranza war es, welche der junge Quintana in Form einer seiner »Miniaturen« für Jovellanos und dessen Gäste las.
    Alle kannten die Geschichte, aber sie wurde fremd und neu, wie Quintana sie las. Er scheute sich nicht, Begebenheiten, um die man nicht wissen, die man höchstens vermuten konnte, als Tatsachen hinzustellen. Doch seltsam: wie er sie erzählte, waren sie so, sie konnten gar nicht anders gewesen sein.
    Goya, wie die andern, hörte hingerissen zu. Die Ereignisse, wie dieser junge Mensch sie vor einen hinstellte, hatten sich nicht vor einem Vierteljahrtausend begeben, es waren Geschehnisse von heute, erregend, empörend. Aber gerade deshalb: war nicht, was hier geschrieben wurde, Aufruhr undüberaus verfänglich? Und war es nicht unsinnig, wenn er jetzt, da ihm das Leben Erfüllung und Verheißung bot, unter diesen Rebellen und Fanatikern herumhockte? Dabei gefiel ihm der törichte Junge, der mit mühsam unterdrückter Empörung seine Geschichte vortrug. Und er hätte weiter zugehört, selbst wenn es angegangen wäre, sich fortzumachen.
    Als der junge Quintana zu Ende war, herrschte beklommenes Schweigen. Endlich räusperte sich Jovellanos und sagte: »Ihre Verstöße gegen das reine Kastilisch, mein lieber Don José, sind gar nicht zu zählen. Aber Kraft ist in Ihren Sätzen, und Sie sind ja noch sehr jung, da wird sich noch manches abschleifen.«
    Der Abate war aufgestanden. Vielleicht hatte unter allen ihn die Vorlesung Quintanas am meisten angerührt. »Wir sind klug, wir von der Inquisition«, sagte er. Er hatte das Recht zu sagen: »Wir von der Inquisition«, denn noch immer, wiewohl sein Beschützer, der Großinquisitor Sierra, in Ungnade gefallen und wegen bedenklicher Theologie in Anklagezustand versetzt war, trug er den Titel »Sekretär des Heiligen Offiziums«. Jetzt also ging er auf und ab in dem geräumigen Zimmer Don Gaspars, nahm hier und dort einen Gegenstand auf, ihn zu betrachten, und hielt dabei seinen kleinen Vortrag. »Wir von der Inquisition«, sagte er, »waren immer klug. Es waren nicht wir, die den Erzbischof Carranza ins Gefängnis und zur Strecke gebracht haben, es waren der Papst und König Philipp. Und wenn jetzt Großinquisitor Lorenzana endlich den Fall Olavide zur Entscheidung bringt: war es etwa er, der den großen Mann hat verhaften lassen? Muß er nicht endlich aufräumen mit einem Fall, der so lange schwebt?«
    Goya horchte hoch. Er hatte Don Pablo Olavide flüchtig gekannt; es hatte ihn erschüttert, als damals, vor Jahren, dieser tapfere, blitzend gescheite Mann verhaftet und seine große Gründung in der Sierra Morena gefährdet worden war. Auch er hatte in den letzten Wochen davon gehört, daß jetzt die Inquisition sogar den Olavide endgültig vernichten wolle,aber er hatte darüber hinweggehört, er wollte sich und sein Glück von Gerüchten nicht stören lassen. Jetzt, unter dem Eindruck der Vorlesung Quintanas, konnte er sich nicht enthalten zu fragen: »Werden sie wirklich –?«
    »Gewiß werden sie«, antwortete der Abate, und seine klugen, lustigen Augen waren jetzt keineswegs mehr lustig. »Lorenzana hat von Anfang an den Ehrgeiz gehabt, im Kampf für die reine Lehre ebenso berühmt zu werden wie Großinquisitor Valdés. Er hat bereits den Segen des Heiligen Vaters eingeholt für die Vernichtung des Olavide. Wenn Don Manuel noch länger in seiner Lethargie verharrt, wenn der König dem Großinquisitor nicht endlich in den Arm fällt, dann wird diese Hauptstadt ein Autodafé zu sehen bekommen wie keines seit Jahrhunderten.«
    Goya spürte deutlich, daß die böse Prophezeiung des Abate, daß vielleicht selbst die Vorlesung des jungen Quintana nur für ihn bestimmt gewesen war. Da wandte

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