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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sich auch schon Jovellanos ohne Umschweife an ihn. »Sie arbeiten doch jetzt an einem Porträt des Príncipe de la Paz, Don Francisco. Don Manuel soll bei solchen Sitzungen sehr zugänglich sein. Wie wäre es, wenn Sie einmal mit ihm den Fall Olavide beredeten?« Obwohl sich Jovellanos bemühte, beiläufig zu sprechen, kam jedes Wort gewichtig. Es war still, alle warteten auf Goyas Antwort.
    Unbehaglich sagte er: »Ich zweifle, ob mich Don Manuel ernst nimmt in Fragen jenseits der Malerei. Offen gestanden«, fuhr er mit mattem Scherz fort, »ist es mir auch nicht wichtig, ernst genommen zu werden, wenn es nicht um meine Malerei geht.« Die andern schwiegen, mißbilligend. Jovellanos aber sagte streng und geradezu: »Sie machen sich leichtfertiger, Don Francisco, als Sie sind. Sie sind begabt, und wer begabt ist, ist es auf allen Gebieten. Cäsar war nicht nur ein großer Staatsmann und Feldherr, auch ein großer Schriftsteller. Sokrates war Philosoph, Religionsstifter, Soldat, er war alles. Leonardo, jenseits seiner Malerei, war Wissenschaftler, Techniker, er hat Festungen gebaut und Flugmaschinen. Undum von meiner bescheidenen Person zu reden, so wünsche ich nicht nur auf dem Gebiet der Nationalökonomie ernst genommen zu werden, sondern auch in Fragen der Malerei.«
    Auch auf die Gefahr hin, in den Augen dieser Herren eine kümmerliche Figur zu machen, durfte sich Goya kein zweites Mal verleiten lassen, sich in politische Dinge einzumischen. »Ich bedaure, Ihnen trotzdem nein sagen zu müssen, Don Gaspar«, antwortete er. »Das Verfahren gegen Don Pablo Olavide empört mich nicht minder als Sie, aber«, erklärte er mit zunehmender Energie, »ich werde nicht mit Don Manuel darüber sprechen. Sicherlich hat unser Freund Don Miguel die böse Sache mit ihm erörtert, und sicherlich haben Sie, Don Diego« – er wandte sich an den Abate –, »ihm mit allen Künsten kluger Überredung zugesetzt. Wenn Sie beide versagen, Sie, die erfahrenen Politiker, was soll da ich erreichen, der simple Maler aus Aragón?«
    Don Miguel nahm die Herausforderung an. »Wenn viele große Herren«, sagte er, »dich besonders gerne um sich sehen, Francisco, dann tun sie es nicht nur um deiner Porträts willen. Sie haben den ganzen Tag Spezialisten um sich, Wirtschafter, Techniker, Politiker, wie ich einer bin. Der Künstler aber ist mehr als ein Spezialist, er wirkt auf alle, kennt das Wesen aller, spricht für alle, er spricht fürs Volk als Ganzes. Das weiß Don Manuel, und darum hört er auf dich. Und darum solltest du mit ihm über diesen verruchten und verzweifelten Prozeß des Pablo Olavide reden.«
    Bescheiden und doch glühend mischte sich der junge Quintana ein. »Was Sie da sagen, Don Miguel«, rief er, »habe ich selber oft gespürt. Nicht wir armen Schriftsteller, Sie, Don Francisco, Sie sprechen die Sprache, die alle verstehen, das Idioma Universal. Vor Ihren Bildern geht einem das Wesen der Menschen tiefer auf als vor den Gesichtern selber und vor den Worten der Schriftsteller.« – »Sie tun meiner Kunst viel Ehre an, junger Herr«, antwortete Goya. »Aber leider will man ja, daß ich mit Don Manuel rede , und da bin ich meines Idioma Universal beraubt. Ich bin Maler, Señores«,sagte er, beinahe unhöflich laut. »Begreifen Sie doch, ich bin Maler, nichts als Maler.«
    Als er allein war, suchte er die peinliche Erinnerung an Jovellanos und seine Gesellschaft abzuschütteln. Er wiederholte sich die Gründe seiner Ablehnung, es waren gute Gründe. »Oir, ver y callar – Hören, sehen, Maul halten«, das war unter den vielen guten alten Sprichwörtern eines der gescheitesten. Aber sein Unbehagen blieb.
    Er mußte sich mit einem Vertrauten aussprechen, sich rechtfertigen. Er erzählte seinem Agustín, wie Jovellanos und die andern ihm schon wieder zugemutet hätten, sich in die Geschäfte des Königs zu mischen, und wie er’s, selbstverständlich, abgelehnt habe. »Der Mensch«, schloß er mit etwas gezwungener Munterkeit, »braucht zwei Jahre, bis er reden lernt, sechzig, bis er lernt, das Maul zu halten.«
    Agustín war bekümmert. Er schien um die Angelegenheit bereits zu wissen. »Quien calla, otorga«, erwiderte er mit seiner schollerigen Stimme, »wer schweigt, stimmt zu.« Goya antwortete nicht. Agustín bezwang sich, er schrie nicht, er bemühte sich, ruhig zu sprechen. »Ich fürchte«, sagte er, »wenn du die Fenster gegen die Zeit verhängst, Francho, dann wirst du bald auch in deinem eigenen Gehäuse schlechter

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