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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
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sehen.« – »Red keinen Unsinn«, begehrte Francisco auf. »Male ich jetzt schlechter als früher?« Doch auch er zwang sich zum Gleichmut. »Manchmal imponiert er mir, dein tugendhafter Jovellanos«, konzedierte er sachlich, »mit seiner Starrheit und seinen großen Reden. Aber öfter finde ich ihn lächerlich.
    Lächerlich ist, wer in einer
    Welt lebt, wie sie sollte sein, und
    Nicht in der, die ist. Anpassen
    Muß man sich, es geht nicht anders«,
    Rief er heftig. »Nun, Sie tun es,
    Don Francisco«, sagte sänftlich
    Agustín. Francisco aber,
    Und er schrie nicht, sagte: »Zwischen
    Beiden Welten muß ein Weg sein,
    Und ich will und werd ihn finden.
    Glaub es mir, ich werd ihn finden,
    Agustín. Nur hab Geduld, mein
    Lieber.«

8
    Goya malte an dem heitern Bild der Wallfahrt zu San Isidro. Malte hingegeben, fröhlich. Er war allein. Plötzlich spürte Francisco, daß jemand im Atelier war.
    Ja, es war einer da, er war eingetreten, ohne anzuklopfen, ein Mann in der Tracht der Nuncios, der Boten des Heiligen Offiziums. »Gelobt sei Jesus Christus«, sagte der Mann. »In Ewigkeit, amen«, antwortete Don Francisco. »Wollen Sie mir, bitte, bestätigen, Don Francisco«, sagte sehr höflich der Nuncio, »daß ich Ihnen ein Schreiben des Heiligen Offiziums übergeben habe.« Er reichte ihm die Quittung, Goya unterzeichnete. Der Mann übergab ihm das Schreiben, Goya nahm es und bekreuzte sich. »Gesegnet sei die Heilige Jungfrau«, sagte der Nuncio. »Dreimal gesegnet«, antwortete Don Francisco, und der Nuncio entfernte sich.
    Goya hockte nieder, das gesiegelte Schreiben uneröffnet in der Hand. Es war in der letzten Zeit viel davon die Rede gewesen, daß die Inquisition das Urteil des Don Pablo Olavide nicht öffentlich, sondern in einem Auto particular zu verkünden gedenke, in einer nur für geladene Gäste bestimmten Kundgebung. Dazu geladen zu werden war ehrenvoll und gefährlich, es kam einer Verwarnung gleich. Goya war sicher, das Schreiben in seiner Hand enthielt eine solche Ladung. Erst jetzt spürte er den ganzen Schreck, den ihm die leise und jähe Erscheinung des Boten bereitet hatte. Er hockte in dem Sessel, erschöpft, mit matten Knien, es dauerte lange, ehe er das Schreiben öffnete.
    Josefa, als Francisco ihr von der Einladung sprach, erschraktief. Nun also erfüllte sich, was ihr Bruder vorhergesagt hatte: Franchos unsittlicher Lebenswandel hatte ihn in den Geruch der Ketzerei gebracht. Wahrscheinlich hatte, mehr noch als sein übler Verkehr mit den Gottlosen, die freche Zurschaustellung seiner Liebschaft mit der Alba die Herren von der Inquisition zu dieser gefährlichen Einladung bestimmt. Das Schlimme war, daß ihr Francho wirklich ein Ketzer war. Und das Überschlimme: sie hing an ihm, so fest nur ein Mensch an einem andern hängen konnte. Und wenn die Inquisition sie folterte, niemals wird sie ein Wort gegen Francho aussagen. Sie bemühte sich, ihr Gesicht, ihr verschlossenes, hochmütiges Bayeu-Gesicht, ruhig zu halten, nur den Mund verpreßte sie ein wenig mehr. Dann sagte sie: »Die Jungfrau segne dich, Francho.«
    Sogar die Alba, als er ihr von der Einladung erzählte, machte eine Bewegung peinlichen Staunens. Doch sogleich wieder hatte sie sich in der Gewalt. »Da sieht man, Don Francisco«, sagte sie, »was für ein wichtiger Mann Sie sind.«
    Der Großinquisitor Lorenzana hatte die angesehensten Männer des Reiches eingeladen, dem Triumph der Inquisition beizuwohnen, nicht nur Don Miguel, Cabarrús, Jovellanos, sondern sogar Don Manuel. Rom hatte ihm empfohlen, im Falle des Olavide kein Auto público abzuhalten, um die Krone nicht zu reizen, wohl aber der Verurteilung des Ketzers viel Öffentlichkeit zu geben. Er hatte also ein Auto particular »bei offenen Toren« angeordnet, so daß trotz Ausschlusses der Öffentlichkeit die ganze Bevölkerung Madrids teilnehmen konnte an der Demütigung des Ketzers.
    Eine Woche vor der Feierlichkeit durchzogen berittene Diener und Notare der Inquisition die Stadt Madrid mit Trommeln, Hörnern und Trompeten, und ein Herold tat allem Volke zu wissen, daß zur höhern Ehre Gottes und des katholischen Glaubens das Heilige Offizium in der Kirche San Domingo El Real ein Auto particular zelebrieren werde »bei offenen Toren«. Es würden alle Gläubigen aufgefordert, dem heiligen Schauspiel beizuwohnen; das sei Gottesdienst.
    Am Tage vor dem Auto wurde das große, grüne Kreuz und die Standarte des Heiligen Offiziums in die Kirche gebracht. Der Prior der

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