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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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den römischen Behörden zu überstellen. Allein König Philipp deckte die Inquisition. Er wollte auf die Einkünfte des Erzbistums Toledo nicht verzichten und betrachtete es als eine Schwächung seines Prestiges, wenn er jetzt dem Papst nachgäbe. Carranza blieb in strenger Haft in Valladolid.
    Der Papst erklärte feierlich: sollte die Auslieferung des Erzbischofs weiter verzögert werden, so verfielen alle Schuldigen ipso facto dem Anathema, sie seien ihrer Würden und Funktionen verlustig, sie seien als Verbrecher zu betrachten und unfähig, jemals wieder in ihre Ämter eingesetzt zu werden. Carranza selber sei ohne Verzug dem päpstlichen Nuntius auszuliefern. König Philipp antwortete nicht; Carranza blieb in seinem Gefängnis in Valladolid.
    Man kam schließlich überein, eine päpstliche Legation solle auf spanischem Boden gemeinsam mit den spanischen Inquisitoren den Fall Carranza untersuchen. Rom schickte vier Gesandte, so erlesen, wie sie der Heilige Stuhl noch niemalseinem Herrscher geschickt hatte. Der erste war der spätere Papst Gregor der Dreizehnte, der zweite der spätere Papst Urban der Siebente, der dritte Kardinal Aldobrandini, Bruder des späteren Papstes Clemens des Achten, der vierte der spätere Papst Sixtus der Fünfte. Der Großinquisitor empfing die Herren mit der Ehrfurcht, die ihnen gebührte, bestand aber darauf, daß sie richten sollten im Rahmen der Suprema, des höchsten Tribunals der Inquisition, zusammen also mit fünfzehn Spaniern; das bedeutete, daß sie nur vier von neunzehn Stimmen gehabt hätten.
    Während man darüber verhandelte, starb Papst Pius der Vierte. Auf dem Sterbebett erklärte er, er habe, um den unersättlichen Katholischen König zu befriedigen, im Falle des Erzbischofs Carranza gegen die kanonischen Gesetze und den Willen der Konzilien und der Kardinäle verstoßen; nichts belaste sein Gewissen schwerer als sein Versagen im Falle Carranza.
    Der Nachfolger des toten Papstes war Pius der Fünfte, ein schwieriger Herr. Sehr bald schon beklagte sich der spanische Gesandte Zúñiga bei seinem König, der Heilige Vater habe keine Erfahrung in Staatsgeschäften und keinerlei private Interessen; er tue leider nur das, was er für gerecht halte, nichts sonst. Der neue Papst erklärte denn auch, die Jurisdiktion des Großinquisitors und seiner Herren sei mit sofortiger Wirkung erloschen. Großinquisitor Valdés habe den gefangenen Erzbischof ohne Verzug freizulassen, damit sich dieser nach Rom begebe, um vom Papste in Person gerichtet zu werden. Die Akten des Falles seien binnen drei Monaten nach Rom zu transportieren. Dies alles bei Strafe des göttlichen Zornes, des Unwillens der Apostel Peter und Paul und der Exkommunikation.
    Der alte geld-, macht- und rachsüchtige Valdés war willens, den Kampf auch mit dem neuen Papst aufzunehmen. Der Katholische König aber, in schwere außen- und innenpolitische Händel verwickelt, scheute das Interdikt. Carranza wurde dem päpstlichen Legaten überstellt und fuhr nach Italien.
    Acht Jahre hatte der Erzbischof in spanischer Gefangenschaft verbracht; jetzt lebte er im Castel Sant’ Angelo, komfortabel, doch in Haft. Denn Pius der Fünfte, gründlich, wie er war, hatte angeordnet, daß die Untersuchung von neuem beginne. Das ganze, riesige Material wurde ins Italienische und ins Lateinische übersetzt. Ein Sondergericht, siebzehn Prälaten, darunter vier Spanier, tagte allwöchentlich unter dem Vorsitz des Papstes. Der Katholische König folgte den Verhandlungen mit größtem Interesse und sandte immer neues Material.
    Der Prozeß schleppte sich hin. Den acht Jahren spanischer Gefangenschaft folgten fünf Jahre italienischer.
    Dann aber hatte der Heilige Vater jedes Für und Wider erwogen. Er und sein Gericht fanden den Erzbischof Carranza nicht schuldig der Ketzerei. Der Spruch wurde aufgesetzt, sorglich, mit vielen Argumenten, unter der Aufsicht des Papstes. Doch verkündete der Heilige Vater das Urteil noch nicht, sondern teilte es, aus Höflichkeit, zuerst König Philipp mit.
    Unmittelbar aber nach dem Konzept des Urteils, das den Freispruch verkündete und begründete, traf in Spanien die Nachricht ein, Papst Pius der Fünfte sei tot. Das Urteil war nicht gesprochen. Es verschwand.
    Pius’ des Fünften Nachfolger, Gregor der Dreizehnte, wußte natürlich um den Freispruch. Doch hatte er als einer der vier Legaten, welche der Heilige Stuhl seinerzeit in Sachen Carranza nach Spanien geschickt hatte, die Zähigkeit des

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