Grabesdunkel
einen Stuhl gesetzt. Der Ermittler hatte laut geseufzt und war mit der Leiche im Obduktionssaal zurückgeblieben.
»Wie halten Sie das aus?«, hatte Kikki den Gerichtsmediziner leise gefragt.
»Ich schiebe gewisse Dinge beiseite. Würde ich hinter der Leiche den lebendigen Menschen sehen, wäre mein Job nicht auszuhalten«, hatte Professor Bjerke geantwortet.
»Helle Isaksen ist also durch einen Stich mit einem Küchenmesser zu Tode gekommen?«, hatte Kikki sich schlieÃlich vergewissert.
Gunnar Bjerke hatte geblinzelt und die Brille weggelegt. »Nein, offenbar hat er sie ordentlich gequält und lange mit dem Messer im Auge liegen lassen, bevor er sie schlieÃlich mit einem Kleidungsstück erwürgt hat. Wir haben Fasern gefunden.«
Er hatte sich näher zu ihr herübergebeugt.
»Doch die Tatwaffe, um es einmal so auszudrücken, wurde nicht am Tatort gefunden.«
Kapitel 12
Mittwoch, 4. Mai
Joakim musste wütend feststellen, dass sie übertrumpft worden waren. »Handelshochschulprofessor unter Mordverdacht« war sowohl auf der Titelseite von VG als auch auf der von Dagbladet zu lesen. Verdammt, verdammt, verdammt!, brüllte er innerlich, während er zu einem Zeitungskiosk in der Akersgate lief. An diesem Morgen brachte Ressortleiter Fredrik Telle ihm einen Kaffee.
»Wir können nicht jedes Mal ins Schwarze treffen. Beruhige dich erst mal. Dann geht es auf in die nächste Runde. Du darfst nicht vergessen, dass wir durch die vielen Krankmeldungen total unterbesetzt sind, während die Boulevardzeitungen zehn Leute auf den Fall angesetzt haben«, sagte er.
»Das ist den Lesern doch egal.«
»Es ist aber nicht schlecht, dass wir den Exfreund ins Spiel gebracht haben«, versuchte es Telle erneut.
»Na ja, aber wenn die Konkurrenz den Knüller hat und ich davon nichts mitbekommen habe, dann schon.«
Joakim hatte Schwierigkeiten, sich zu motivieren. Mit gebeugtem Kopf saà er schweigend in der Morgenkonferenz der Nachrichtenredaktion, während seine Kollegen die heutigen Themen diskutierten. Ein dramatischer Anstieg an Gehirnschlägen und das Gerücht, dass die Kronprinzessin Krebs hatte, waren die Wichtigsten. Vorläufig.
»Ich werde herausfinden, was der Professor mit dem Mord zu tun hat«, sagte Joakim, als er an der Reihe war. Er hatte versagt. Ein Journalist war nie besser als sein letzter Coup.
VG hatte berichtet, dass ein paar Zeugen Helle Isaksen und den Professor zweimal zusammen gesehen hatten. Allein. Im Hörsaal. Abends. Der Professor hatte kein Alibi für die Tatzeit. Er hatte sich bereits einen Anwalt genommen, Martin Tollefsen, einen der besten Verteidiger des Landes.
Der Tag zog sich endlos lang hin. Der Ressortleiter hätte gerne noch jemanden für die Berichterstattung über den Mordfall abgestellt, hatte aber keinen freien Nachrichtenreporter. »Verdammte Kleinkindeltern«, murmelte Fredrik Telle. Inzwischen waren fünf Journalisten der Nachrichtenabteilung zu Hause, weil ihre Kinder krank waren, und vier weitere hatten sich selbst den Virus eingefangen. Telle machte keine Zusagen, als er zur Ressortleiterbesprechung ging, doch als er zurückkam, brachte er Agnes Lea mit.
»Ich musste mich mit Sverre um sie streiten«, erklärte er.
Telle schien mit seinem Fang zufrieden zu sein, aber eine vollwertige Partnerin bei der Berichterstattung über den Mordfall war sie für Joakim definitiv nicht.
»Ich kümmere mich um Helle Isaksens Familie und Freunde und halte mich von Polizei und Rechtsanwälten fern«, sagte Agnes Lea, bevor sie sich an den Schreibtisch setzte, der Joakims genau gegenüberstand.
Beide verbrachten den gesamten Vormittag am Telefon. Joakim rief all seine Quellen und Gott und die Welt an. Er fand schnell heraus, wer der unter Verdacht stehende Professor war. Kato Zetterstrøm, Professor für Volkswirtschaftslehre, siebenundfünfzig Jahre, verheiratet, zwei Töchter von achtzehn und zwanzig Jahren. Seinen Doktor hatte er an der Universität Bergen gemacht. Nach ein paar Jahren bei der Norges Bank war er als erster Dozent für Makroökonomie ans Institut für Volkswirtschaft der Handelshochschule berufen worden. Er wohnte in einem Einfamilienhaus in Bærum und besaà ein Ferienhaus in Trysil.
Bei seiner Kontaktaufnahme kam Joakim nicht über das Nennen seines eigenen Namens hinaus, bevor die Frau des Professors den Hörer
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