Grabesdunkel
unzählige Geburtstage, Familienessen und Feierlichkeiten versäumt, um die Belange von Nyhetsavisen zufriedenzustellen.
Der Fotochef bedankte sich nur selten für seinen Einsatz.
»Was ist los mit den Chefs? Nach einem halben Jahr in dem Job werden sie alle gleich, alle. Nehmen sich ungeheuer wichtig.« Rasmus knallte das Bierglas auf den Tisch. Er war in seinem Element. »Macht ist Gift, Joakim. Sie bringt das Schlechteste in den Menschen zum Vorschein, egal wie gut ihre Absichten vorher waren.«
Rasmus führte groÃe Reden und trank, bis er nicht mehr gerade stehen konnte. Zum Schluss meinte er, dass er sich eigentlich mal mitten in der Sommerferienzeit krankmelden sollte. Nach diesem Statement war das Thema für ihn erledigt, und er verkündete, dass er nach Hause wolle.
Joakim blieb noch eine Weile stehen, um auszutrinken. Er wollte gerade gehen, als Helene auf ihn zukam.
»Hei, Joakim. Wie wäre es mit einem kleinen Absacker?«
Kapitel 13
Wenige Minuten später gingen sie Seite an Seite Richtung Grønland. Helene wohnte in einer groÃzügigen Dreizimmerwohnung nahe der Moschee im Ã
kebergvei. Die Wohnung passte zu ihr. An den Wänden hingen groÃe farbenfrohe Teppiche. Im Wohnzimmer standen ein dunkles Sofa und zwei schwere Lehnstühle mit behaglichen Schaffellen.
Helene ging in die Küche und füllte zwei groÃe Wassergläser mit Wein.
»Das letzte Mal ist lange her«, sagte sie, als sie zurückkam.
Joakim nickte.
»Ich bin beeindruckt, dass du nach der Blamage mit Hans Adler Hellvik deinen Job behalten hast«, fuhr sie fort. »Ich dachte schon, du würdest dich bei uns um einen Aushilfsjob bewerben.«
Joakim schwieg und merkte verärgert, dass er rot wurde. Die Titelseite mit der Entschuldigung sorgte noch immer für Spott unter den Kollegen der anderen Redaktionen.
»Ich habe schlampig gearbeitet, aber was ich geschrieben habe, ist wahr. Jedes Wort«, protestierte er.
»Offenbar nicht wahr genug«, sagte Helene und lächelte ihn ein bisschen spöttisch an.
Sie trank einen Schluck Wein und stellte das Glas ab, schälte sich aus ihrem schwarzen Rollkragenpullover und entblöÃte ihre gewaltigen Brüste. Joakim verschlug es zunächst die Sprache. Die Wirkung, die Helene auf ihn hatte, war enorm â wie immer. Er war richtiggehend geblendet und hingerissen von ihr. Das wunderte ihn. Er hatte viele Frauenbekanntschaften gehabt. Doch Helene war anders als alle, sie spielte in einer anderen Liga. Sie war ganz einfach zu schamlos für ihn.
Aber er fing sich schnell, nahm die Einladung an und küsste sie auf den Hals, während er sich die Kleider vom Leib riss. Sie setzte sich auf dem Sofa auf ihn. Ihre Schenkel umschlossen seine Hüften. Er sah, wie ihre Muskeln sich unter der noch winterblassen Haut bewegten. Er griff in Helenes langes, dunkles Haar.
Hinterher holte Joakim ihnen Wasser. Als er zurück ins Wohnzimmer kam, hatte sie sich eine Decke um die Schultern gelegt. Ansonsten war sie nackt und offensichtlich für eine Fortsetzung bereit. So war es das letzte Mal auch gewesen. Es hatte nur eine Woche gedauert. Sie hatten Sex gehabt. Geredet. Sex gehabt. Und geredet. Das war letzten Winter. Damals waren sie beide in Haugesund gewesen, um über einen Prozess zu berichten. Eine Leiche war kniend in einem Wald direkt auÃerhalb der Stadt gefunden worden â hingerichtet durch einen Schuss in den Nacken. Zwei junge Männer standen unter Anklage. Eine Abrechnung im Drogenmilieu der Stadt.
Tagsüber waren Helene und Joakim Konkurrenten wie alle anderen gewesen. Sie hatte sich der schmutzigsten Tricks bedient. So hatte er herausgefunden, dass sie den Mann an der Rezeption seines Hotels geschmiert hatte, damit er sie darüber informierte, mit welchen Quellen und Interviewpartnern Joakim sich dort getroffen hatte. Die Nächte hatten sie gemeinsam in Helenes Hotelzimmer verbracht. Sie hatte ein völlig unkompliziertes Verhältnis zu Sex. Sie wollte nicht mehr, nur Sex.
»Hast du eigentlich keinen Freund?«, fragte er, während er von seinem Wasser trank.
»Nein.«
»Nie gehabt?«
»Nein, nie«, antwortete sie. »Ich bin darin nicht so gut.«
Joakim nickte. Er war darin auch nicht so gut. Während des Jurastudiums hatte er eine kurze Zeit mit Kikki zusammengelebt, doch seitdem hatte er keine feste Beziehung mehr gehabt. Es war ihm damals zu eng
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