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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Konsequenz, nachdem ein gewalttätiger Gefangener sich zur Wehr gesetzt hatte und überwältigt werden musste?«
    »Sie haben die Aufnahmen der Leiche gesehen. Die Polizei hat weit mehr Gewalt angewendet, als erforderlich gewesen wäre.«
    »Genau wie dieser Junge in Wyoming, Julian Perkins. Er hat einen Deputy erschossen. Betrachten Sie das als angemessene Gewaltanwendung?«
    »Einspruch«, sagte Aguilar. »Dr. Isles ist hier nicht die Angeklagte.«
    Whaley feuerte ungerührt die nächste Frage ab, ohne den Blick von Maura zu wenden. »Was ist in Wyoming passiert, Dr. Isles? Hatten Sie vielleicht eine Erleuchtung, während Sie um Ihr Leben kämpften? Eine plötzliche Erkenntnis, dass die Polizei der Feind ist?«
    »Einspruch!«
    »Oder ist die Polizei schon immer der Feind gewesen? Gewisse Mitglieder Ihrer Familie scheinen so zu denken.«
    Der Hammer krachte auf den Tisch. »Mr. Whaley, Sie kommen jetzt sofort zu mir an den Richtertisch.«
    Maura saß geschockt da, während Staatsanwältin und Verteidiger sich mit dem Richter berieten. So weit war es jetzt also gekommen, dass ihre Familie in die Sache hineingezogen wurde. Wahrscheinlich gab es in ganz Boston keinen Cop, der nicht von Mauras Mutter Amalthea gehört hatte, die im Frauengefängnis Framingham eine lebenslange Haftstrafe verbüßte. Das Ungeheuer, das mir das Leben geschenkt hat, dachte sie. Jeder, der mich ansieht, muss sich fragen, ob dieses Böse nicht auch mein Blut vergiftet hat. Sie sah, wie der Angeklagte, Officer Graff, sie anstarrte. Sie erwiderte seinen Blick, und sie sah ein Lächeln um seine Lippen spielen. Das hast du dir selbst eingebrockt , las sie in seinen Augen. Das passiert, wenn du deine Freunde und Helfer verrätst.
    »Die Sitzung ist unterbrochen«, verkündete der Richter. »Bitte finden Sie sich heute Nachmittag um zwei Uhr wieder ein.«
    Während die Geschworenen den Saal verließen, sank Maura kraftlos gegen die Stuhllehne. Sie merkte nicht, dass Aguilar plötzlich neben ihr stand.
    »Das war ein ganz mieser Trick«, sagte Aguilar. »Das hätte der Richter nie zulassen dürfen.«
    »Er hat sich total auf mich eingeschossen.«
    »Tja, er hat eben nichts anderes in der Hand. Denn die Fotos aus dem Leichenschauhaus sind einfach verdammt überzeugend.« Aguilar sah sie durchdringend an. »Gibt es sonst noch irgendetwas, was ich über Sie wissen sollte, Dr. Isles?«
    »Außer der Tatsache, dass meine Mutter eine verurteilte Mörderin ist und ich zum Spaß kleine Kätzchen quäle?«
    »Das finde ich nicht witzig.«
    »Wie Sie vorhin schon sagten: Ich stehe hier schließlich nicht vor Gericht.«
    »Nein, aber sie werden versuchen, Sie in den Mittelpunkt zu stellen. Es wird darum gehen, ob Sie Polizisten hassen. Ob Sie heimliche Motive haben. Wir könnten diesen Fall verlieren, wenn die Geschworenen Zweifel an Ihrer Aufrichtigkeit haben. Also sagen Sie mir, ob es noch irgendetwas gibt, was die Gegenseite aufs Tapet bringen könnte. Irgendwelche Geheimnisse, die Sie mir gegenüber nicht erwähnt haben.«
    Maura dachte an die unangenehmen Details ihres Privatlebens, die sie lieber für sich behielt. Die verbotene Affäre, die sie vor Kurzem beendet hatte. Die Vorgeschichte von Gewalt in ihrer Familie. »Jeder Mensch hat Geheimnisse«, sagte sie. »Meine tun nichts zur Sache.«
    »Das wollen wir doch sehr hoffen«, sagte Aguilar.

3
    Wo man auch hinschaute in Bostons Chinatown, überall waren Geister. Sie spukten im ruhigen Tai Tung Village ebenso wie in der bunten, belebten Beach Street, sie schwebten über der Ping On Street und huschten durch die dunklen Häuserschluchten am Oxford Place. Geister bevölkerten jeden Winkel in diesem Viertel. Das war es jedenfalls, was der Reiseführer Billy Foo den Touristen erzählte, und er hielt eisern an seiner Geschichte fest. Ob er selbst an Geister glaubte, spielte im Grunde keine Rolle; sein Job war es, die Leute davon zu überzeugen, dass die Seelen der Verstorbenen in diesen Straßen spukten. Die Menschen wollten an Geister glauben – und deshalb waren auch so viele bereit, fünfzehn Dollar pro Nase springen zu lassen, damit sie fröstelnd an der Ecke Beach und Oxford Street stehen und Billys blutrünstigen Mordgeschichten lauschen konnten. Heute hatte sich die ominöse Zahl von dreizehn Teilnehmern zum spätabendlichen Chinatown-Geisterspaziergang eingefunden, darunter ein verzogenes zehnjähriges Zwillingspaar, das schon vor drei Stunden ins Bett gehört hätte. Aber wenn du das Geld

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