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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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ab, konnte ihre blaue Limousine aber nirgends entdecken. Er betrat den Laden, und nachdem er einige Mitarbeiterinnen der Wäscheabteilung befragt hatte, fand er heraus, dass sie tatsächlich ein paar Stunden vorher da gewesen war – gegen vier Uhr.
    Als Giles Sayre seine Frau als vermisst meldete, schenkten die Polizisten dem Fall genau jene Aufmerksamkeit, die sie dem fünfstündigen Verschwinden eines Erwachsenen meist schenken, nämlich so gut wie gar keine. Auch sie suchten auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums nach Julia Sayres Wagen. Giles hätte ihnen sagen können, dass er nicht da war – er hatte bereits zweimal nachgesehen.
    »Manchmal, Gillian –«, begann ich, doch sie fiel mir ins Wort.
    »Versuchen Sie bloß nicht, mir irgend so einen Scheiß zu erzählen, dass sie davongelaufen ist und mit einem anderen als meinem Vater in die Kiste steigt«, erklärte sie. »Meine Leute sind superdicke miteinander, glücklich verheiratet und so weiter. Ich meine, es wird einem direkt übel, wenn man sie zusammen sieht.«
    »Ja, aber –«
    »Fragen Sie, wen Sie wollen. Fragen Sie unsere Nachbarn. Sie werden Ihnen sagen, dass Julia Sayre nur mit einem einzigen Menschen in ihrem Leben Schwierigkeiten hat.«
    »Mit Ihnen.«
    Sie wirkte erstaunt über meine Annahme, doch dann zuckte sie mit den Achseln. Sie verschränkte die Arme, lehnte sich an die Hauswand und sagte: »Ja.«
    »Weshalb?«
    Sie zuckte erneut mit den Achseln. »Sie sehen nicht aus wie ein kleines Engelchen, das nie aus der Reihe tanzt. Haben Sie sich als Teenager denn nie mit Ihrer Mutter gestritten?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, meine Mutter ist gestorben, als ich zwölf war. Bevor ich ins Teenageralter kam. Ich habe immer die Mädchen beneidet –« Ich verstummte. »Na ja, das spielt keine Rolle.«
    Sie schwieg.
    »Wenn sie länger gelebt hätte«, sagte ich, »hätten wir uns wahrscheinlich auch gestritten. Ich habe alles Mögliche angestellt, schon bevor ich ein Teenager war.«
    Sie begann einen ihrer Fingernägel zu mustern. Ich überlegte gerade, wie anders meine Erinnerung an meine Mutter ausgefallen wäre, wenn sie fünf Jahre länger gelebt hätte, als Gillian fragte: »Wissen Sie noch, was Sie als Letztes zu ihr gesagt haben?«
    »Ja.«
    Sie wartete darauf, dass ich mehr sagte. Als ich das nicht tat, sah sie mit zusammengekniffenen Augenbrauen beiseite. »Das Letzte, was ich zu meiner Mutter gesagt habe, war: ›Ich wünschte, du wärst tot.‹«
    »Gillian –«
    »Sie wollte, dass ich auf Jason aufpasse. Sie wollte, dass ich alles absage und tue, was sie will, damit sie in dieses dämliche Konzert gehen kann. Ich war sauer. Mein Freund war sauer, als ich ihm gesagt habe, dass wir uns nicht treffen können. Dann habe ich sie angebrüllt. Und das habe ich zu ihr gesagt.«
    »Vielleicht fehlt ihr gar nichts«, sagte ich. »Manchmal fühlt sich jemand einfach überlastet und muss eine Weile aus allem raus.«
    »Nicht meine Mom.«
    »Ich sage ja nur, dass sie noch keine vierundzwanzig Stunden weg ist. Nehmen Sie nicht gleich an, dass sie –« Ich unterbrach mich gerade noch rechtzeitig. »Nehmen Sie nicht gleich an, dass ihr etwas zugestoßen ist.«
    »Dann müssen Sie mir helfen, sie zu finden«, erklärte sie. »Niemand sonst nimmt mich ernst. Die sind alle genau wie Ihre Freunde.« Sie nickte in die Richtung, in die Stuart und die anderen verschwunden waren. »Bilden sich ein, ich sei noch ein Kind – ein Kind, auf das man nicht zu hören braucht.«
    Ich zog mein Notizbuch heraus und sagte: »Sie wissen, dass es nicht von mir abhängt, ob die Geschichte in der Zeitung erscheint, ja?«
    Sie lächelte.
     
    Nachdem ich meinen Chefredakteur dazu überredet hatte, mich der Geschichte nachgehen zu lassen, fuhr ich zu den Sayres, deren großes, zweistöckiges Haus in einer ruhigen Sackgasse lag. Giles öffnete die Tür, nachdem er einen kläffenden Pekinesen aufgesammelt hatte. Er reichte den sich windenden Hund an Gillian weiter, die ihn nach oben brachte. Jason, so erklärte er mir, war zu seiner Großmutter gebracht worden.
    Als ich Giles Sayre zum ersten Mal gegenüberstand, fürchtete ich, es könne ihm missfallen, dass Gillian in einer Angelegenheit, die sich als peinliche Familiengeschichte entpuppen könnte, eine Reporterin um Hilfe gebeten hatte. Doch Giles war voll des Lobs für seine Tochter und sagte, er hätte selbst darauf kommen sollen, den Express heranzuziehen.
    »Was soll ich nur machen, wenn Julia etwas zugestoßen

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