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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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kleineren und größeren Versammlungen, die Auszeichnungen und die Kritik, die Belohnungen und die Strafen zogen das Denken der jungen Menschen auf ein einspuriges Gleis. Jede mit der Kommunistischen Partei nicht übereinstimmende Auffassung wurde im Keim erstickt.
    Damals glaubte ich aufrichtig an all das – China, in den letzten hundert Jahren vom Imperialismus gedemütigt, verarmt und geschwächt, konnte durch die »Drei Roten Banner« in den Sozialismus eintreten und darüber hinaus das höchste Ideal der Menschheit verwirklichen: den Kommunismus. Was zählten angesichts dieses hehren Ideals die Probleme der Gegenwart?
    Ich hatte keine Zweifel an diesen »Drei Roten Bannern« – aber neben meiner Unwissenheit gab es dafür noch einen weiteren Grund: der gewaltige politische Druck der gesamten Gesellschaft, der dazu führte, dass ich es auch nicht wagte zu zweifeln.
    Vor meinen Augen sind viele grauenvolle Dinge geschehen. Wan Shangjun, ein Mitschüler eine Klasse über mir, durfte wegen einer langen Rede, in der er Marschall Tito lobte und das »sozialistische Lager« kritisierte, die Aufnahmeprüfung für die Universität nicht machen. Bei der Aufnahmeprüfung für die Mittelschule war er noch der Beste des ganzen Kreises gewesen, ich war im Jahr nach ihm der Beste, deshalb kannten wir einander gut.
    Er lernte viel und machte sich eine Menge Gedanken und hat dann wegen dieser unabhängigen Gedanken im Alter von 17 Jahren seine Zukunft verspielt. Im Frühjahr ’59 wurden an einer Klowand drei mit Kreide geschriebene Worte entdeckt: »Nieder mit Mao« – alles war in heller Aufregung, das Ganze wurde auf schnellstem Weg der Schulleitung gemeldet, die Schulleitung hat es auf schnellstem Weg dem Amt für Öffentliche Sicherheit gemeldet, das Amt für Öffentliche Meinung hat den Fall sehr schnell gelöst; Der Mitschüler aus der Klasse über mir hatte das geschrieben, er war unzufrieden, weil er Hunger hatte, und hatte sich mit dieser Kritzelei Luft gemacht. Mein Vater hat mit eigenen Augen gesehen, wie sie ihn in Handschellen ins Gefängnis geschafft haben.
    Die unablässige revolutionäre Kritik, die schweren Strafen, die man aus eigener Erfahrung kannte, haben dazu geführt, dass die Menschen eine regelrechte Angstneurose entwickelten. Und diese Angst war nichts, das jäh aufflammte und ebenso plötzlich wieder erlosch, wie etwa die Angst vor Schlangen oder wilden Tieren, diese Angst ging in Blut und Nerven über, sie wurde zu einem Überlebensinstinkt jedes Einzelnen. Die Menschen mieden politische Gefahren wie das Feuer.
    In einem Staat, in dem die Kaisertreue so tief verwurzelt ist, betrachten die Menschen die Stimme der Zentralregierung als eine Autorität, und die KP Chinas hat mit der »mächtigen Waffe« einer Zentralregierung dem ganzen Volk eine einheitliche Wertewelt eingetrichtert. Die jungen Menschen mit ihren einfachen Erfahrungen haben aufrichtig an das geglaubt, was man ihnen beibrachte, und die Familienoberhäupter, die etwas mehr Erfahrung hatten, haben entweder aus Aberglauben an diese »mächtige Waffe« oder aus Angst vor der Regierung mit Fleiß ihre Kinder davon abgehalten, irgendwelche Gedanken zu äußern, die mit der Regierung nicht übereinstimmten, und stets darauf geachtet, dass ihre Sprösslinge willfährig und gehorsam waren.
    1960 habe ich die Aufnahmeprüfung für die Qinghua-Universität in Beijing gemacht. Ich war kaum dort, als ich auch schon an einer Ausstellung der Qinghua gegen Rechtsabweichler teilnahm und treu und brav Erziehungsarbeit leistete. Anschließend ging es 50 Tage aufs Land, wo ich einerseits eine Erziehung durch körperliche Arbeit bekam und zum anderen Debatten zur Aufrechterhaltung der »Drei Roten Banner« führte. Mir knurrte zwar der Magen, aber ich zweifelte nicht an meiner Mission.
    Die sonst für ihr freies Denken berühmte Universität war vollständig abgeschottet. Die Qinghua hatte schon immer sehr viele namhafte Professoren gehabt, aber wir kannten Männer wie Wen Yiduo und Zhu Ziqing nur aus den Büchern von Mao Zedong, wir wussten nichts von Chen Yanke und auch nichts von Wu Mi.
    Die Bestände der Universitätsbibliothek der Qinghua waren riesig, aber wir durften außer zur Ingenieurtechnik nur Bücher ausleihen, die etwas mit Kommunismus zu tun hatten. Zwei Alumni der Qinghua, Yang Chenning und Li Zhengdao, hatten gerade erst den Nobelpreis für Physik bekommen, aber die Universität verschwieg diese Tatsache nicht nur, die

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