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0005 - Ich griff »Nummer eins«

0005 - Ich griff »Nummer eins«

Titel: 0005 - Ich griff »Nummer eins« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Hören Sie, ich brachte mir ein hübsches Andenken von jener Sache in Brasilien, als ich den verrückten Goldmacher aus der grünen Hölle am Amazonas angelte, mit nach New York.
    Ich merkte es erst, als wir auf dem La-Guardia-Flugplatz landeten. Da lief mir das erste kleine Schauerchen über den Rücken. Zwei Tage später lag ich im Hospital und fieberte, daß das Quecksilber oben aus dem Thermometer herauszuspritzen drohte. Ich hatte mir irgendein obskures südamerikanisches Fieber geholt.
    Für die Ärzte des Tropenhospitals war ich ein gefundenes Fressen. Sie trieben wissenschaftliche Studien an mir, und mir wurde ziemlich elend dabei. Schließlich, als sie neunzig Prozent ihrer Medikamente ausprobiert hatten, fing es an, besser zu gehen, und ich konnte mich wenigstens zeitweise wieder auf den eigenen Namen besinnen.
    Nach vier Wochen besah ich mich im Spiegel. Schön bin ich nie gewesen, aber das hohläugige Skelett, das mir da entgegengrinste, konnte das abgebrühteste Zirkuspferd scheu machen. Immerhin, von Tag zu Tag, verwandelte sich das Skelett ein wenig mehr in den alten Jerry Cotton, so daß meine Freunde und Kollegen nicht mehr nach der Tafel über dem Bett zu schauen brauchten, um zu wissen, ob sie auch den richtigen Mann besuchten.
    Ich bin nicht das, was man einen »geduldigen Patienten« nennt. Jeden Tag fragte ich Arzt und Schwester, wann sie mich endlich aus ihrem Affenstall zu entlassen gedächten, und an einem schönen Sonntagmorgen war ich es leid. Ich schmiß der Schwester das Tränklein vor die Füße, das sie mir einflößen wollte, holte mir meine Hose aus dem Schrank, ging beim Arzt vorbei und lud ihn zu einem Drink ein, wann immer er Zeit hätte, pfiff mir ein Taxi herbei und fuhr zum Hauptquartier.
    »Hallo, Jerry«, sagte Mr. High, der Chef, als ich in sein Büro stürmte. »Sind Sie als arbeitsfähig entlassen?« Ich ließ mich in einen Sessel fallen.. Um ehrlich zu sein, ich hatte es nötig. Die Fahrt hatte mich angestrengt. Ich fühlte mich so merkwürdig weich in den Knien, als hätte ich mir einen schweren rechten Haken eingehandelt.
    »Weiß nicht, ob der Doc mich dafür hält«, brummte ich, »aber wenn man nicht einmal Schluß macht, behalten sie einen Mann so lange da, bis er gestorben ist.«
    »Wie fühlen Sie sich?« fragte High. »Miserabel«, antwortete ich ehrlich, »aber ins Krankenhaus gehe ich doch nicht zurück.«
    »Ich werde Ihnen Erholungsurlaub erwirken«, sagte der Chef.
    »Und Phil?« fragte ich.
    »Phil sucht einen Mann, der eine Schwäche für Juwelen zu haben scheint. Jedenfalls stiehlt er sie.«
    »Ohne Phil macht mir ein Urlaub keinen Spaß«, maulte ich. »Lassen Sie mich arbeiten, Chef.«
    »Ein Leichtgewichtler kann Sie umpusten, Jerry, und ich wette, Ihre Hand zittert, wenn Sie eine Pistole länger als zehn Sekunden halten.«
    »Irgend etwas Leichtes, Chef, ‘ne Überwachung oder so etwas.«
    Mr. High rieb sich das Kinn.
    »Ich hätte da etwas für Sie«, murmelte er. »In zehn Tagen wird ›Nummer eins‹ entlassen.«
    Ich pfiff durch die Zähne. »Und das soll leichte Arbeit sein, Chef?« fragte ich verbindlich und grinste.
    »Ich hoffe es, wenigstens zunächst.«
    ›Nummer eins‹ kannte jeder Mann, der je mit dem FBI zu tun hatte. Sie wissen sicherlich, daß wir eine Art Wunschliste unterhalten, und der Mann, der sie anführt, wird ›Nummer eins‹ genannt, oder in den offiziellen Verlautbarungen etwas hochtrabender ›Staatsfeind Nummer eins‹. Wenn wir ihn dann gefaßt haben und die Richter haben ihn auf den Stuhl geschickt, verschwindet sein Name aus der Liste, und ein anderer nimmt den Ehrenplatz ein. Die Bezeichnung bleibt, nur der Täter wechselt. Und doch gab es einen Gangster, der ›Nummer eins‹ genannt wurde, obwohl er längst nicht mehr den Kopf der Liste zierte, und jeder wußte, von wem die Rede war, wenn man von ›Nummer eins‹ schlechthin sprach.
    ›Nummer eins‹ war Harry Brian.
    Seit der Alkoholschmuggel zu Ende war, hatte es nie wieder einen größeren und mächtigeren Boß gegeben als Harry Brian, Lucky Luciano ausgenommen. Aber Lucky konnten wir in seine Heimat expedieren, weil er Italiener war. Brian wer in New York geboren, und so mußten wir ihn behalten.
    Nie wurde Harry gefaßt, echt gefaßt, obwohl ein Dutzend Morde auf sein Konto kamen, die Bankeinbrüche und Diebstähle nicht gerechnet. Es gab kein dunkles Geschäft in New York, in dem er nicht die Finger stecken hatte, angefangen von der Hehlerei bis zum Racket,

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