Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
Getreide zu verkaufen und auch zu essen.
Im Frühjahr 1958 gab es in einigen Gebieten die ersten Hungertoten. 1959 verschlimmerte sich die Lage. Im Winter des gleichen Jahres wurde in 102 der 162 Produktionsbrigaden drei Monate lang kein Essen mehr an die Kommunemitglieder ausgegeben. In einigen Gebieten bekamen diese Menschen vierzig Tage lang nichts zu essen. Sie haben versucht, mit Graswurzeln, Gräsern und Baumrinde ihren Hunger zu stillen, auch zu Kannibalismus ist es gekommen. [140]
Mit dem Frühjahr 1959 wurde die Nahrungsmittelversorgung im Gebiet von Dingxi täglich angespannter. Aufgrund der 1958 nach oben gemeldeten Zahlen ging man auf den übergeordneten Ebenen davon aus, dass die ländlichen Gebiete mit Nahrungsmitteln versorgt seien und dass die Forderungen der Bauern nach Nahrungsmittellieferungen etwas mit dem Klassenkampf zu tun hätten. Das Provinzkomitee gab das Prinzip aus, »die Forderungen müssen sich nach den Möglichkeiten richten, der Verkauf nach den Vorgaben, die Verteilung nach der Zuteilung und die ländlichen Gebiete nach den Städten«. Gleichzeitig wurde verlangt, dass die einzelnen Gebiete über den Klassenkampf die Ankaufquoten steigern sollten. Entsprechend dieser Vorgabe wurden in allen Kreisen des Gebietes Dingxi einerseits Nahrungsmittelkontrollpläne herausgegeben, andererseits hat man weiter von den ländlichen Gebieten Getreide verlangt.
Da so viele Bauern verhungerten, hielt das Kreiskomitee von Tongwei an der Auffassung fest, »das Fehlen von Nahrungsmitteln ist ein ideologisches, kein reales Problem«. Das Kreiskomitee verlangte von den Volkskommunen die Durchführung von »großen Kampfversammlungen mit zehntausend Menschen«, von den Produktionsteams »große Kampfversammlungen von tausend Menschen«, auf denen Bauern, die von der Regierung die Lieferung von Lebensmitteln gefordert hatten, und die Basiskader, die bei der Wahrheit geblieben waren, kritisiert und bekämpft wurden. Zudem wurde vorgeschlagen, »einen doppelten Schlag gegen die reichen und oberen Mittelbauern zu führen und eine dreifache Rechnung aufzumachen für Arbeitsverweigerung, Beschädigung der Produktion und illegale Einkünfte […]«. [141]
Die hohen Ankaufquoten wurden vom Staat festgesetzt. Doch der erste Sekretär des Provinzkomitees von Gansu Zhang Zhongliang war einer jener Beamten, die sich nur den übergeordneten Instanzen, nicht dem Volk gegenüber zur Verantwortlichkeit verpflichtet fühlten. Unter dem gewaltigen Druck seiner Politik wagten die Kader nicht davon zu sprechen, wie es wirklich war, dass nämlich die Bauern hungerten und die Ankaufquoten zu hoch waren. Der Gebietskomiteesekretär von Dingxi Dou Minghai sagte: »Der Sieg der Partei in so vielen Kämpfen war immer der Sieg über rechte Tendenzen […] beim Kampf gegen die rechten Tendenzen darf man keine Angst haben, als links bezeichnet zu werden, man muss nur Angst haben, als lau zu gelten.«
Im Gebiet von Dingxi nahmen die Produktionsmengen Jahr für Jahr ab, die Ankaufquoten hingegen stiegen Jahr für Jahr an. Im Frühjahr 1960, als in den ländlichen Gebieten keine Nahrungsmittel mehr zur Verfügung standen, sagte Dou Minghai: »Lieber sollen sie verhungern, als dass sie weiter vom Staat Nahrungsmittel verlangen.« [142] Dou war ein Kader, den Provinzkomiteesekretär Zhang Zhongliang außerordentlich schätzte; er war in der ganzen Provinz bekannt als »Aktivist« und »Mann des Fortschritts«.
Und gerade als die Nahrungsmittelsituation angespannt war, beschloss das Provinzkomitee, Xi Daolong als ersten Sekretär in den Kreis Min zu versetzen. Die Bedingungen im Kreis Min waren besser als im Kreis Tongwei und diese Versetzung war, soweit es Xi Daolong betraf, eine gute Nachricht. Aber das Provinzkomitee wollte, dass er sein neues Amt im Kreis Min erst antreten sollte, wenn die Ankaufquoten in Tongwei erfüllt waren. Um sein Amt so früh wie möglich antreten zu können, griff Xi zu drastischeren Maßnahmen.
Anfang August 1959 wurden im Rahmen des »Kampfes gegen rechte Tendenzen« im Kreis Tongwei 1169 Kader vom Produktionsteam an aufwärts rechter Tendenzen bezichtigt. Kreisleiter Tian Buxiao hatte die Wahrheit gesagt, also machte ihn Xi Daolong zum »Antikommunisten« und »kleinen Peng Dehuai«. Am 29. Oktober 1959 hat Tian Buxiao sich das Leben genommen, er war 35 Jahre alt. Nach seinem Tod hat ihm das Kreiskomitee unter der Anklage »Rädelsführer eines unverbesserlichen, hundertprozentigen
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