Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
ausgesetzt.
Vielleicht hat der alte Himmel ihr Leben nicht gewollt. Das Mädchen aß die wilden Gräser, die um sie herum wuchsen und lebte wider Erwarten weiter. Sie hat jetzt selbst Kinder, und wenn sie an damals denkt, dann nur mit tiefer Bewegung!
Und dann waren da noch die Mütter, die ihre kleinen Töchter gekocht und gegessen haben, deren ältere Töchter etwas geahnt haben müssen, weil sie der Mutter am Wams zerrten und flehten: ›Mama, iss mich nicht, warte, bis ich groß bin, dann baue ich dir noch einen Kang!‹
Gegen Ende des Jahres wurde die Lage immer schlimmer. Wer fliehen konnte, floh, wer nicht fliehen konnte, wartete auf den Tod, und wenn sie tot waren, wer hätte sie noch unter die Erde bringen sollen? Glücklicherweise war Winter, die Leichen sind nicht verwest, die Ratten haben sich in Scharen über sie hergemacht und sie fürchterlich zugerichtet. Es war nicht zum Anschauen.
Die Mutter von Bai Shangwen, dem ehemaligen stellvertretenden Kreisleiter von Tongwei, starb, in der Familie von Yan Yuxiang, dem ehemaligen Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses des Kreises Ren, verhungerten sechs Personen.
Ein alter Mann aus Zhaojiashan (damals Kader einer Produktionsbrigade) erinnert sich: ›Damals war schon die Hälfte der Leute im Dorf tot, aber in den Speichern des Produktionsteams lagerten noch zig Pfund Fettgrieben, Nahrungsmittel, aber wir haben nicht gewagt, das an die Leute zu verteilen. Als der Leiter der Arbeitsgruppe des Provinzkomitees Wang Bingxiang zu uns kam, hat er gefragt, warum wir die Sachen denn nicht an die Leute verteilt hätten, statt sie verhungern zu lassen. Wir haben nicht geantwortet, aber bei uns wussten wir: Wer hätte den Mut gehabt, das zu essen! Und wer hätte durch das Bisschen überlebt!‹« [135]
1958 war Xi Daolong Kreiskomiteesekretär in Tongwei, ein Mann aus Shanxi, 35 Jahre alt, der wegen seiner Teilnahme an der Revolution in den Gefängnissen der Guomindang gesessen hatte. Kreisleiter war Tian Buxiao, ein ehrlicher und besonnener Mann aus Shaanxi, der seine Arbeit sehr ernst nahm und an den Tatsachen ausrichtete.
Das Provinzkomitee war mit der Arbeit im Kreis Tongwei sehr zufrieden. Zwischen dem 5. und dem 23. Mai hat Xi Daolong als nicht stimmberechtigter »Vertreter eines fortschrittlichen Kreises« an der 2. Plenartagung des 8. Parteitags des Zentralkomitees der KPCh teilgenommen und wurde zu einem Vorbild, das die Kader der ganzen Provinz studierten. Auf der 2. Plenartagung wurde der »Große Sprung nach vorn« beschlossen. Xi Daolong wurde auf dieser Tagung mit der »wahren Lehre« vertraut und war nach seiner Rückkehr noch sehr viel aktiver in seiner Arbeit.
1958 reagierten alle auf Mao Zedongs Parole, »es wäre besser, Volkskommunen einzurichten«, und machten aus den 169 erstklassigen Genossenschaften 14 Volkskommunen, der gesamte Kreis wurde zu einer einzigen An- und Rückverkaufsgesellschaft. Innerhalb eines einzigen Monats wurden 2759 Volksküchen eingerichtet, Mann und Frau, Alt und Jung wurden in den Volksküchen ernährt. Die Verwaltung in den ländlichen Gebieten organisierte die Umsetzung der Militarisierung, der Mobilisierung der Kampfbereitschaft und der Kollektivierung des Lebens. Der gesamte Kreis wurde zu einer Einheit der Volksmilizen, jede Volkskommune zu einer Kampfgruppe: »Zur Arbeit wie die Drachen, die wir wie die Bienen machen«. Bei der Produktion lauteten die Parolen: »Der Tausend-Pfund-Marschall ruft in sein Zelt« (für die Getreideproduktion allein), »zehntausend Pfund Kartoffeln steigen zum Himmel« (für die Kartoffeln allein). Obwohl die Volkskommunen von der Mehrzahl der Menschen unterstützt wurden, haben doch noch eine Reihe von Bauern ihre Privatparzellen bewirtschaftet und Schafe und Schweine geschlachtet.
Um diesen Widerstand zu brechen, wurde kreisweit eine große Diskussion eröffnet. Das Thema der Diskussion lautete: Was ist Kommunismus? Wie kann man den Kommunismus aufbauen? Derart mysteriöse Fragen konnten die Bauern nicht richtig beantworten. Aber eines war ganz klar: Der Kommunismus war »das Paradies«, die Volkskommunen waren die »goldene Brücke«, die zu diesem Paradies führte. Wer gegen den Aufbau der Volkskommunen war, der war auch gegen den Kommunismus, der musste kritisiert und bekämpft werden. Wer abweichende Meinungen vertrat, gehörte zum »weißen Banner«, das man »herunterholen« musste.
Allein im Jahr 1958 wurden 565 unter diese Anklage gestellt (darunter drei Kader aus
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