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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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dem Dorf hätten die Leute die beiden kleinen Füße einer Frau entdeckt. An den Schuhen und Strümpfen habe er erkannt, dass sie zu seiner Tante gehörten.
Der Hunger trieb die Menschen nicht nur dazu, Tote zu essen, sie haben sich auch an die Lebenden herangemacht. Lu Xiongwa, ein weibliches Mitglied des Produktionsteams Lujiazhuang, ist auf dem Weg zu einem Besuch bei Verwandten von hungernden Menschen umgebracht worden, das Fleisch wurde ihr restlos von den Knochen geschabt.
Ein anderes weibliches Mitglied der Volkskommune Jichuan, deren Mann außerhalb arbeitete, hörte von der Hungersnot in seinem Heimatdorf und hat Lebensmittelmarken für über zehn Pfund Getreide geschickt. Als die Frau Mehl eingekauft hatte, verschloss sie die Haustür und verließ für Tage nicht mehr das Haus. Als die Leute im Dorf so lange niemand mehr aus dem Haus hatten kommen und gehen sehen, brachen sie durch die Mauer in das Haus ein, wo ein paar der Kinder bereits verhungert waren, aber von der Hausfrau nichts zu sehen war. Auch später hat man nicht erfahren können, wo sie geblieben war. Anfang der 70er Jahre kam dann ans Licht, dass die Frau im Grunde ihre Kinder im Stich gelassen, sich von ihnen abgewandt und geflohen, aber noch nicht richtig aus dem Dorf herausgekommen war, als sie schon getötet und aufgegessen worden ist. Als der Fall bekannt geworden war, ist er auch untersucht worden, aber die Mörder waren längst gestorben, gestorben ohne identifiziert worden zu sein und ohne dass der Fall gelöst worden wäre.
Zhang Siwa vom Produktionsteam Dawan der Produktionsbrigade Zhoudian aus der Volkskommune Longyang hat ihre eigene, zwölf Jahre alte Tochter mit einem Holzknüppel erschlagen, gekocht und verzehrt. Später hat dann kein Mitglied dieser vierköpfigen Familie überlebt.
Eine Frau in den mittleren Jahren namens Mou aus Shenjiashan hat ihre eigene vierjährige Tochter umgebracht, die Leiche zerstückelt, gekocht und gegessen; auch sie gehört in diese Reihe.
Ein weiterer, aus einer Kaderfamilie stammender Mann hat uns eine Geschichte aus seiner Familie erzählt:
›Damals sind wir zu sechst gewesen, der Vater war bei den Wasserbauarbeiten bei der Umleitung des Tao, ich und meine Brüder und Schwestern sind von unserer Mutter mit Mühe großgezogen worden. Mutter war eine sehr raffinierte Frau, ich hatte keine Ahnung, wo sie die Nahrungsmittel versteckt hatte, aber jeden Tag hat sie mich, wenn meine Geschwister schliefen, mitten in stockfinsterer Nacht aufgeweckt, mir gekochte Nudeln in den Mund geschoben und mir dann eine Decke über den Kopf gezogen, bis ich alles herunterhatte, dann erst hat sie ruhig weitergeschlafen. Warum sie nur mir und nicht auch meinen Geschwistern etwas zu essen gegeben hat? Ich war erst zwölf, ich dachte einfach, sie hätte mich besonders lieb, tiefere Gründe habe ich nicht gewusst.
Einmal habe ich gesehen, wie sie mit einem sehr schmerzlichen Gesichtsausdruck meine Geschwister angeschaut hat, die nur noch Haut und Knochen waren, und sie gefragt, was sie denn habe. Da hat sie den Kopf geschüttelt, gesagt hat sie nichts. Bald darauf sind meine Geschwister gestorben. Nach einem Jahr, es muss im Frühjahr 1961 gewesen sein, ist Vater vom Tao zurückgekommen. Da hat sie mich in seine Arme geschoben und gesagt: ›Ich kann nichts dafür, ich habe dir nur einen durchbringen können, nur … nur einen.‹ Sie hatte es noch nicht gesagt, als sie mit einem Schrei zu Boden sank. Vater hat sie zum Kang gebracht und auch er hat geweint. Zu der Zeit war alles schon wieder viel besser, aber Mutter hat den ganzen Tag geweint und konnte nicht aufstehen, und dann hatte sie sich auch bald die Augen blind geweint. Da war sie gerade mal etwas über dreißig.
Ich wurde jeden Tag größer und schließlich habe ich verstanden, was Mutter sich damals vorgenommen hatte. Sie wollte die Räucherstäbchen in unserer Familie, also die Ahnenopfer, nicht ausgehen lassen.‹
In einem abgelegenen Bergdorf der dritten Gemeinde hat ein Ehepaar fünf, sechs Kinder großgezogen. Wie haben sie das gemacht? Als sie nicht mehr aus noch ein wussten, hat ihre Mutter ein sechs, sieben Jahre altes Mädchen in der Wildnis ausgesetzt. Aber das Kind war nicht tot, seine Mutter sah, wie sich ihre Wimpern bewegten, die bittenden Hände, und da brachte sie es nicht übers Herz und hat sie wieder nach Hause gebracht. Aber zu Hause konnten sie nicht überleben, wenn sie dieses eine Kind schützte, also hat sie es wieder herzlos

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