Grace - Die Biographie
und Herjetten von Drehort zu Drehort, einem halbwegs stabilen Privatleben selbst im Weg steht. Es geht ihr in diesem Winter nicht gut. Sie ist lustlos, müde, erschöpft. Mögen es auch keine regelrechten Depressionen sein, so hat sie doch neben ihrer humorvollen Heiterkeit seit jeher einen ausgeprägten Hang zur Melancholie. Neben ihrem strahlenden, hoffnungsfrohen Wesen ist da seit ehedem auch eine erkennbare Tendenz zur Schwermut.
Infolgedessen tritt Grace nun nahezu ein volles Jahr lang vor keine Kamera mehr. Erst für Der Schwan , zugleich ihr vorletzter Film, betritt sie im Herbst 1955 wieder ein Filmset.
Aufgrund der Vielzahl ihrer Filme wird das Jahr 1954 in der amerikanischen Presse – etwa in der Zeitschrift Look , deren Juni-Cover sie ziert – denn auch prosaisch als »A Year of Grace« bezeichnet. Und vielleicht ist – trotz oder gerade wegen der vielen und intensiven Arbeit als Schauspielerin – dieses Jahr 1954 bis zu den besagten schweren Herbst- und Wintermonaten im Leben der Grace Kelly denn auch ihr »annus mirabilis«, mehr noch als 1956, jenes ihrer Heirat.
Oleg Cassini sieht Mogambo zusammen mit einem guten Freund, Bobby Friedman, im Kino und fasst hernach den etwas eigenwilligen und recht selbstbewussten Entschluss, dass die Frau, die er dort im Kino gerade auf der Leinwand gesehen hat, seine nächste Liaison werde. Wenn nicht sogar mehr. Erst im Laufe der Zeit wird er erfahren, dass es seit den Dreharbeiten zu Bei Anruf Mord nicht nur Ray Milland in Graces Leben gibt, sondern dass auch der französische Akteur Jean-Pierre Aumont in engerer Beziehungzu Grace steht. Und dass kein Geringerer als William Holden in den kommenden drei Wochen dieses Januars 1954 neu in Graces Leben treten und eine private Rolle spielen wird.
Bobby Friedman und Oleg Cassini gehen direkt im Anschluss an diese Mogambo -Vorstellung gemeinsam essen im bekannten französischen Restaurant »Le Veau d’Or«, gelegen in der 60th Street der Upper East Side in Manhattan. Es mag nun Zufall sein, oder Schicksal, dass – etwa eine halbe Stunde nachdem er sie auf der Leinwand sah – nicht weit entfernt im Raum an einem der Nebentische just der französische Schauspieler Jean-Pierre Aumont (1911–2001) für Oleg Cassini zu erkennen ist. Cassini, der Mode-Couturier, und Aumont, aus Filmen wie etwa Marcel Carnés Hôtel du Nord (1938) bekannt, kennen sich aus Hollywood. Und neben Aumont am Tisch sitzt – Grace Kelly.
»Ich sah sie anfangs nur im Profil. Ich sah die unglaubliche Perfektion ihrer Nase (…) den langen, eleganten Hals (…) das seidig scheinende blonde Haar. Sie trug einen schwarzen Samt-Zweiteiler, sehr nüchtern, mit einem langen Rock und kleinem weißen Peter-Pan-Kragen. Später, als sie aufgestanden war, habe ich bemerkt, dass sie eine tolle Figur hatte: groß, ungefähr 1,75, schöne breite Schultern, zarte Kurven und lange Beine – ein sehr aristokratisch aussehendes Mädchen.« 169
Oleg Cassini, voller Charme und Selbstbewusstsein, geht zu dem Tisch hinüber und tauscht, nach der Begrüßung und etwas Small Talk mit Aumont, auch ein paar Worte mit Grace Kelly aus.
Fortan schickt Cassini Tag für Tag einen Strauß mit einem Dutzend roter Rosen zu Graces Apartment – etwa zehn Tage lang. Beigefügt ist stets dieselbe Karte mit der kryptischen Nachricht »The Friendly Florist« – der freundliche Florist. Um den zehnten Tag jenes anhaltenden Rosen-Bombardements herum läuft Cassini am New Yorker »Plaza Hotel« vorbei und sieht dort im Schaufenster einer Boutique ein Stofftier, die Nachbildung des bösen Wolfs aus dem frühen Walt-Disney-Zeichentrickfilm The Three Little Pigs ( Die drei kleinen Schweinchen , 1933). Er kauft es und schickt es Grace.
Am nächsten Tag ruft er sie an, und als sie abnimmt, sagt er: »Es ist der freundliche Florist, der hier anruft.« 170 Nach einer Pause am anderen Ende der Leitung hört er Graces Lachen. FürCharmeur Cassini steht in diesem Moment fest: Er hat Grace für sich gewinnen können. Doch weiß er in dem Moment noch nicht, wie viele Mitbewerber es zu dieser Zeit im Rennen um Graces Gunst gibt, die entweder mit ihr schon einmal liiert waren und es nun gern erneut wären, oder es derzeit teils auch sind: Jean-Pierre Aumont, Ray Milland, William Holden, Bing Crosby. Und, etwas später im Jahresverlauf, zu Graces New Yorker Zeit im Frühjahr 1955, David Niven (1910–1983). Mit Oleg Cassini nun ist es ein halbes Dutzend – eine illustre Schar namhafter
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