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Grace - Die Biographie

Grace - Die Biographie

Titel: Grace - Die Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Wydra
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und uns, den Zuschauern – hinunterbeugend und dabei beinahe direkt in die Kamera sehend, und schließlich, als sich ihre Lippen langsam berühren und sie ihn dreimal küsst, im Profil. Es sind Kameraeinstellungen, die pastosen Gemäldeporträts ihres elfenbeinfarbenen Gesichtes gleichkommen. Hitchcock »malt« Grace Kelly. In ihrem von Edith Head entworfenen schwarzweißen Abendkleid, mit weißer Perlenkette um den Hals und streng zurückgestecktem Haar strahlt sie dabei eine klassische Anmut und Eleganz von vollkommener Zeitlosigkeit aus. Es ist, als ob dieser sehr intime nahe Moment aus aller Zeit, aus allem Raum gefallen sei. Mit dieser Kusssequenz zeigt Hitchcock einen der schönsten, zugleich unschuldig poetischsten und aufregend erotischsten Filmküsse der Filmgeschichte.
    Das Fenster zum Hof ist – nicht zuletzt – eine präzise Abhandlung über das Sehen, über das Inszenieren des Sehens – und somit über die Funktion des Regisseurs – sowie über die Reaktionen und Auswirkungen dieses Sehens. Das Sehen und Zeigen als reinste nonverbale Form. Nicht umsonst ist in Hitchcocks Hinterhof der von dem US-Komponisten Jimmy Van Heusen und dem US-Songwriter Johnny Burke erstellte Bing-Crosby-Song To See You (Is To Love You) zu hören, ein Song, in dem es um das Sehen und (reziproke) Wahrnehmen des Anderen geht. Der Song wird ab jenem Moment gespielt, in dem Lisa und Jeff erstmalsüber die Dinge des Lebens reden, über ihr Zusammensein, über das sie so konträrer Ansicht sind. Womöglich ist der Song auch, wie noch mehr das leitmotivische Lisa -Thema, eine Hymne (Hitchcocks) an die gleichnamige Frau (und somit deren Darstellerin Grace Kelly). Während Lisa stilvoll das vom traditionsreichen New Yorker First-Adress-Restaurant »21« in Jeffs Apartment angelieferte perfekte – für ihn abermals zu perfekte – Essen aufbereitet, sieht Jeff im Parterre gegenüber der einsamen ungesehenen Miss Lonelyheart zu. Crosbys To See You läuft da immer noch.
    Die Montage – Hitchcock sprach gern etwa über den für ihn bedeutenden Einfluss der russischen Regisseure Eisenstein und Pudowkin und deren Montageprinzip – dient ihm hierbei als maßgebliches Gestaltungsmittel.
    »Das war’s. Das bot die Möglichkeit, einen vollkommenen filmischen Film zu machen. Da ist der unbewegliche Mann, der nach draußen schaut. Das ist das erste Stück Film. Das zweite Stück lässt in Erscheinung treten, was der Mann sieht, und das dritte zeigt seine Reaktion. Das stellt den reinsten Ausdruck filmischer Vorstellung dar, den wir kennen.« 167
    Das Fenster zum Hof – intelligent-humoriges Welt-Kammerspiel, tiefsinnig-transzendentes Seelenkaleidoskop – endet ambivalent: Jeffries, der zuvor von Thorwald bedroht und aus dem Fenster gestoßen wurde, liegt nun gleich mit zwei Gipsbeinen dösend im Rollstuhl – während Lisa, in blauer Hose und rotem Hemd, und nicht wie sonst im eleganten Kostüm auf dem Sofa sitzend, zwar ostentativ ein Buch in den Händen hält, doch sobald er ganz eingeschlafen ist, greift sie zur Modezeitschrift Harper’s Bazaar . Für welchen der Lebensentwürfe im Haus gegenüber sich der entscheidungsunfreudige unstete Fotoreporter wohl entscheiden wird? Hitchcock verrät es dem Zuschauer nicht.
    Premiere hat Hitchcocks vierzigster Film am 4. August 1954 in New York. Grace Kelly kommt zu dieser Premiere in Begleitung eines gewissen Oleg Cassini, zeigt sich öffentlich mit jenem Mann, mit dem sie in den Jahren 1954 und 1955 so etwas wie eine »On-Off-Liaison« hat, die letztlich durchaus ernster Natur ist und bis hin zur Verlobung und zu konkreten Heiratsplänen beiderseits führt.Oleg Cassini (1913–2006) – als Sohn des russischen Diplomaten Graf Alexander Loiewski und der italienischen Gräfin Marguerite Cassini in Paris geboren –, eröffnet nach seiner Übersiedlung in die USA im Jahr 1936 und geleistetem Militärdienst in der US-Armee nach dem Zweiten Weltkrieg ein eigenes Modehaus in Manhattan. Nachdem sie ihn offiziell zu ihrem persönlichen Couturier berufen hat, wird Cassini für Amerikas junge First Lady Jacqueline Kennedy (1929–1994) in den knappen drei Amtsjahren von John F. Kennedy, 1961–1963, ihren unverwechselbaren Stil, den sogenannten »Jackie Look«, kreieren und bei den Kennedys an den Wochenenden privat ein und aus gehen. Jackie Kennedys geometrische, schlicht geschnittene Kostüme – von denen Cassini etwa dreihundert für sie entwirft – und die kecken Pillbox-Hüte werden fortan von

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