Grace - Die Biographie
Prämissen, von denen die Kellys lediglich Letzteres zu erfüllen vermochten. Doch Neureichen und Immigranten – etwa den Iren, Deutschen und Juden – wird der Eintritt in diese hermetisch abgeschlossene, angelsächsische Gesellschaft ebenso verweigert wie eine Einladung zu den wichtigen Anlässen der Stadt, etwa dem exklusiven Piccadilly-Ball.
Die Kellys, sie bleiben – wenngleich auf einem gewissen Niveau – Outcasts , Außenseiter. Gewiss, über die Kellys spricht man in der Stadt, man kennt sie, sie sind allgemein bekannt, zunächst dank des unermüdlichen Ringens des Vaters um Anerkennung, um politische Ämter, um sportliche Erfolge, um wirtschaftliche Beteiligungen. Später dann vor allem ob ihrer jungen, von der Familie stets vernachlässigten, nun eigenständig die Schauspielkarriereleiter erklimmenden Tochter. Die Kellys, sie sind immer mal wieder talk of the town , das Stadtgespräch. 47
John B. »Jack« Kelly statuiert mit seiner Vita eindrucksvoll das Exempel des US-amerikanischen Traumes, es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten vom Tellerwäscher zum Millionär zu bringen. Hier, in Philadelphia, diesem Schmelztiegel verschiedenster Nationalitäten, die in der Industrie- und Handwerksstadt einen Neuanfang unternehmen wollen. Die Fabrikgebäude, etwa die Textilfabrik des Engländers Dobson, in der einst John Brendans Vater John Henry Kelly zu arbeiten begann und einige seiner sechs Söhne, vor allem Patrick, Walter und John, sukzessive im jungen Alter von etwa zehn Jahren in die Fabrik holt, sie stehen heute noch in der Scott’s Lane nahe dem Flußufer desSchuylkill Rivers. Hier arbeitet Jack neben der Schule ab seinem neunten Lebensjahr erst als Mörtelträger, um sich ein Taschengeld hinzuzuverdienen, dann als Maurerlehrling. Später arbeitet der junge Jack in dem Bauunternehmen seines achtzehn Jahre älteren Bruders Patrick. Das Unternehmen war um das Jahr 1900 herum gegründet worden und trug denn auch den Firmennamen P. H. Kelly & Co.
1921 – nachdem er im Ersten Weltkrieg aufgrund seiner Kurzsichtigkeit – die im Übrigen auch bei Grace sehr stark ausgeprägt und möglicherweise väterlicherseits vererbt ist – nicht als Pilot der Luftwaffe dienen konnte, sich aber als Freiwilliger für eine Sanitätseinheit in Frankreich verpflichtete –, gründet Jack Kelly schließlich seine eigene Firma, wofür er sich bei zweien seiner Brüder, George und Walter, Geld leiht, und übernimmt die Geschäftsführung des Bauunternehmens Kelly for Brickworks . Bruder Charles wiederum verlässt Patricks Firma P. H. Kelly & Co. und wechselt zu Jacks Kelly for Brickworks . Dieser Wechsel sowie der Umstand, dass beide Firmen nun in Konkurrenz zueinander stehen, sorgt unter den Kelly-Brüdern für eine ungute Atmosphäre. Jack Kellys Bauunternehmen, dem er später als Präsident vorstehen wird, avanciert mit den Jahren zu dem größten seiner Art in den USA. Für den Sohn armer irischer Zuwanderer zweifellos eine kolossale Genugtuung. Als er Margaret Majer am 30. Januar 1924 in der St. Bridget’s Church in East Falls heiratet, jener Kirche, in der die Kelly-Familie jeden Sonntag Vormittag zur katholischen Messe geht, ist Jack Kelly seines Zeichens bereits angehender Millionär.
Fürst Albert erinnert sich an die Erzählungen seiner Mutter über seine Großeltern: »Meinen Großvater John B. Kelly kannte ich gewissermaßen gar nicht. Er starb, als ich zwei Jahre alt war. Leider – ich habe immer sehr bedauert, dass ich ihn nie richtig kennenlernen konnte und es nicht möglich war, mit ihm einige Gespräche zu haben. Er ist ja eine Legende, nicht nur in unserer Familie, sondern überall in den USA. Und er war auch ein sehr großmütiger Mann, er besaß echten Unternehmergeist. Er hat es ganz allein zu etwas gebracht, in einem Land, in dem er nicht geboren war, aber ziemlich schnell Karriere gemacht hat. Außerdemglaube ich, dass diese Seite der Familie, die irische Seite, auch ganz wichtig ist. Wir sind alle sehr stolz auf dieses Erbe, so wie wir auch auf die deutsche Seite stolz sind. Aber ich denke, das hat auch viel zum Wesenszug der Großzügigkeit beigetragen, denn die Iren sind oft sehr großzügig im Geist und im Herzen – das wäre also ein weiterer Aspekt, der hinzukommt.« 48
1935 bewirbt sich Jack Kelly für die Demokratische Partei um das Amt des Bürgermeisters von Philadelphia. Gegner ist der republikanische Kandidat S. Davis Wilson, der nach einem hart ausgetragenen Wahlkampf schließlich
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