Grace - Die Biographie
sie hat trotzdem immer gern davon erzählt und dies geteilt – schöne und einzigartige Erinnerungen.
Sie haben Alfred Hitchcock persönlich gekannt?
Ja. Aber ich war wahrscheinlich noch zu klein, um das richtig zu schätzen zu wissen. Er war immer sehr lieb zu uns Kindern, und er hatte einen tollen Sinn für Humor. Eine ganz unglaubliche Persönlichkeit – immer sehr gelassen, sehr britisch, ein ganz trockener Humor, aber unwahrscheinlich nett.
Können Sie sagen, wie es zu diesem Verhältnis Ihrer Mutter zu Alfred Hitchcock – eine Arbeitsbeziehung, aber auch eine tiefe langjährige Freundschaft – gekommen ist, wo die Wurzeln dafür lagen?
Ich glaube, es lag daran – und davon war ja auch in vielen Interviews mit Alfred Hitchcock und seinen Kritikern oder Biographen die Rede –, dass sie für ihn die ideale Hauptdarstellerin war. Eine Frau, sehr blond, sehr unschuldig, aber auch fragil …die manchmal auch als kühl, als cold lady , bezeichnet wurde … Aber genau das gefiel ihm. Auch, weil er damit zeigen konnte, dass meine Mutter, aber auch seine anderen Hauptdarstellerinnen, Kim Novak, Tippi Hedren, dass sie alle Persönlichkeit besaßen, dass sie auch sehr stark sein konnten. Ich glaube, er mochte solche Kontraste, dass Dinge und Menschen gewissermaßen nicht immer eindeutig sind, nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen. Es ist die große, visionäre Kraft eines Charakters wie Hitchcocks, das zu zeigen, das zeigen zu wollen.«
Wissen Sie, ob die Freundschaft Ihrer Mutter zu Alfred Hitchcock bis zu seinem Tod 1980 weiterbestand?
Oh ja, auf jeden Fall! Sie haben ja ein paar von den Briefen gesehen, die hier in der Ausstellung gezeigt wurden – aber es gibt noch andere, sehr viel persönlichere Briefe, die wir nicht gezeigt haben (ausgewählte Passagen und ein Faksimile sind im Buch enthalten). Aber sie standen sich auf jeden Fall immer sehr, sehr nahe. Sie war von Hitchcocks Person sehr berührt und beeinflusst. Ich bin mir sicher, wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie noch mehr Filme mit ihm gemacht. Sie wissen ja, dass er sie für Marnie haben wollte, aber sie hätte auch in Der unsichtbare Dritte spielen sollen.
Hat Ihre Mutter Ihnen von der Marnie- Problematik 1962 erzählt?
Davon hat sie nicht sehr viel gesprochen, weil das, glaube ich, ein schwieriges Thema für sie war. Sie hätte diese Rolle wirklich schrecklich gern gespielt, aber natürlich musste sie dann einsehen, dass es zu kompliziert geworden wäre und auch meinem Vater nicht besonders gefallen hätte. Ich bin sicher, das hat ihr sehr leidgetan.
Hat Ihr Vater, Fürst Rainier, sie denn in diesem Vorhaben unterstützt, oder war das auch für ihn schwierig?
Ich glaube, er war nicht völlig dagegen, aber wissen Sie, er saß gewissermaßen … zwischen den Stühlen, und ich glaube, ihm war auch klar, dass das hier in Monaco sicher nicht gern gesehen worden wäre. Das musste er dann nach reiflichem Nachdenkenakzeptieren. Es wäre wirklich sehr kompliziert geworden, wenn sie sich in diese schwierige Lage gebracht hätte, und er wollte auch selbst nicht in so eine Situation kommen. Und natürlich hatte er in der Zeit auch Probleme mit Frankreich, wie Sie ja wissen. Ich nehme an, da wollte er einfach nicht noch mehr Öl ins Feuer schütten.
Gerade haben Sie noch Hitchcocks Film Der unsichtbare Dritte erwähnt …
Ja – Hitchcock hätte sie gern für diese Rolle gehabt … Aber da war sie ja schon Mutter, und es war auch noch aus anderen Gründen schwierig. Ich denke, sie hätte es gern gemacht. Nicht so sehr wie Marnie , aber dennoch …
Haben Sie einen Lieblingsfilm unter den Filmen mit Ihrer Mutter? Und gibt es einen von ihren Filmen, den sie selbst besonders mochte?
Ich fange erst mal mit ihr an. Ich glaube, sie war sehr zufrieden mit ihrer Leistung in Ein Mädchen vom Lande , aber ich denke nicht, dass das ihr Lieblingsfilm war. Ich weiß gar nicht genau, welcher das gewesen wäre. Ich glaube, sie mochte sich in unterschiedlichen Szenen aus unterschiedlichen Filmen. Sie mochte – und das wäre auch meine Wahl – wohl Das Fenster zum Hof besonders. Das ist natürlich nicht der Grund, warum es mein Lieblingsfilm ist, ich mag die Filme alle, nicht nur ihretwegen, aber dieser ist eine Studie über Voyeurismus und Sozialverhalten von ganz besonderer psychologischer Intensität. Und er wirkt auch noch so viele Jahre später.
Claude Chabrol hat einmal gesagt, der Hof und die Wohnungen auf der anderen Seite seien verschiedene
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