Graf Dracula auf Schreckenstein
an die eigne Brust, ob nichts drin wohnt, das meines Bruders Fehltritt gleicht .. Da strauchelte sie.
„Das war dein Fehltritt, Schwesterherz!“ deklamierte Mücke.
Unten wankte Strehlau vor der Kamera, mit hochgereckten Armen, offenem Mund und verdrehten Augen. Das Rollen um die eigene Achse hatte ihn schwindelig gemacht. Er gab noch einen Laut von sich und fiel um.
„Als Sterbender oberprimstens !“ lobte der kleine Herbert.
Offenbar in weiser Voraussicht hatte sich Eugen einen Klagetext des Weißlingen aus Goethes „Götz von Berlichingen“ ausgesucht, den er laut vorjammerte: „Ich bin so krank, so schwach. Alle meine Gebeine sind hohl. Ein elendes Fieber hat das Mark ausgefressen. .Dazu machte er eine entsprechend jämmerliche Figur.
Gießkanne schüttelte nur noch den Kopf: „Ich verstehe diese Filmleute nicht! Das ist doch grauenvoll.“
Ganz anderer Meinung war Dampfwalze.
Mit zerzaustem Haar, aber hoheitsvoll wie Prinzessin Eboli in „Don Carlos“, kroch Sophie aus der Röhre. „Oh, ich Rasende!“ rief sie korrekt nach Schiller, legte sich quer und rollte mit den Worten: „jetzt endlich, jetzt! Wo waren meine Sinne? Jetzt gehen mir die Augen auf!“ hinunter, rollte und zitierte weiter, stand auf, ohne zu wanken und rief in die Kamera: „Oh, ein Betrug, der ohne Beispiel ist!“
Beinah hätte der Muskelprotz geklatscht, besann sich aber rechtzeitig und sagte nur: „Starke Sache!“
Bei Beatrix konnte davon keine Rede sein.
Sie hätte gern eine moderne Rolle auswendig gelernt. Leider fand sich jedoch in der Rosenfelser Bibliothek kein Theaterstück, und so kletterte sie als Gräfin Terzky aus „Wallenstein“ auf den Bock und rief, um Gleichgewicht bemüht: „Laß jetzt des Mädchens kindische Gefühle, die kleinen Wünsche hinter dir.“
Plötzlich Gebell, Harro kam angewetzt, schnappte nach ihr, sie fiel herunter.
„Harro, Platz!“ Mit seinem Spazierstock erschien Mauersäge. „Das... ks... tut mir leid“, entschuldigte er sich.
Beatrix streichelte das jetzt wieder friedliche Tier. „Du hast ganz recht, Harro. Was soll der Quatsch?“ sagte sie, drehte sich um und ging zu Stephan. Der war völlig ihrer Meinung.
„Weiter!“ rief Wa.
Beni startete mit dem sehr bekannten Text aus „Wilhelm Teil“, den Witzbold Klaus sofort abwandelte: „Durch diese enge Röhre muß er kommen! Es führt kein andrer Weg zum Film...“
Die Zuschauer lachten. Nicht alle. Überhaupt wurde die Talentprobe zwiespältig aufgenommen. Viele kringelten sich über das ernsthafte Bemühen der Kandidaten, andere sahen die Sache von der technischen Seite. Beim Hinunterrollen, stellten sie fest, war es fast unmöglich zu sprechen. Das hatte bis jetzt nur Sophie geschafft, und sie blieb auch die einzige. Die meisten konnten nicht einmal die Richtung einhalten. Fritz und Ernie rollten mit Abstand an der Kamera vorbei. Esther, Irene und Renate waren nach den vielen Umdrehungen nicht imstande, sogleich aufzustehen. Sie machten lange Gesichter und fragten Wa, ob sie jetzt ausgeschieden wären.
„ Det kann ick noch nicht sagen, wa ?“ antwortete der. „Erst mal muß der Film kopiert werden. Morgen sehen wir die Muster und danach entscheidet der Regisseur, wa ?“
„Was? Auch noch warten!“ ärgerte sich Eva.
Da grinste der Flachsblonde: „ Det is so beim Film. Da dauert alles. Manche warten ihr ganzes Leben lang auf ‘ne Hauptrolle, wa ?“
„Unerhört!“ krächzte eine Stimme dazwischen, daß die Mädchen zusammenzuckten. Vom Durchgang her kam ihre Direktorin. „Hier treibt ihr euch also herum, während ich in Neustadt bin!“
„Wir haben versprochen, daß wir die Zeit nacharbeiten, Fräulein Doktor Horn“, antwortete Renate sanft. Sie wußte, daß die Anrede mit „Fräulein Doktor“ bei ihr immer besänftigend wirkte. Und so war es auch diesmal.
Die Horn drehte ihren Vogelkopf hin und her und sagte: „Gewiß. Aber das ist kein Grund, in der prallen Sonne über den See zu rudern.“
Da trat ihr Mauersäge entgegen. „Grüß... ks... grüß Gott. Die jungen Damen interessieren sich für... ks... das Medium Film“, schwafelte er drauflos. „Und um uns auf diesem Gebiet kostenlos weiterzu ... ks... bilden, haben wir nicht immer solche... ks... Gelegenheit, Gnädigste.“
„Wenn Sie das sagen, Graf!“ zwitscherte die Horn. Bei Mauersäge schmolz sie dahin, seit eh und je. Zumal wenn er ihr, wie jetzt, die Hand küßte. Auf einmal heuchelte sie Interesse. „Was wird denn gerade
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