Graf Petöfy
Spötter haben, nicht vor Gott, aber doch in der Gesellschaft und zumal in der unsrigen. Und weil ich nun mal von der Gesellschaft spreche, so laß mich auch gleich von unserem Leben sprechen, das halt kein Leben sein kann wie bei Véfour oder Véry. Soviel steht leider fest. Es hilft aber nichts, Fränzl, und auf ein bißchen Einsamkeit und Langeweile wirst du dich schon gefaßt machen müssen. Ich kann's nicht aus der Welt schaffen.«
»Und sollst du auch nicht, Petöfy. Es ist mir so recht, wie's ist. Daß ich dir's nur gestehe, mich erquickt diese Stille geradezu.«
»Gewiß, solange dir noch der Lärm der großen Stadt im Ohre klingt. Aber ist der erst mal verklungen, ganz verklungen, so verlangst du auch wieder darnach. Gib acht, ich weiß das. Und so hab ich mir's denn überlegt, wie wir's machen wollen, um die große Leere nicht aufkommen zu lassen oder sie doch wenigstens hinauszuschieben. Denn zuletzt kommt sie doch. Und nun höre. Mit unserem Schloß hier bist du so gut wie fertig, und wenn nicht heute, so doch morgen. Man kann eben nicht immer auf den See sehen, so schön er ist, und außer dieser Terrasse, die dir den Blick in den Park und die niedergehende Sonne gönnt – sieh nur, wie sie da zwischen den Zypressen hängt –, hast du nichts hier als den alten Turm und die Bibliothek und die Bildergalerie. Vielleicht noch das Billard. Spielst du?«
»Nein.«
»Also Beweis mehr, wie nötig uns ein Programm ist.«
»So gib es.«
»Ich denke mir also, wir haben ein gemeinschaftliches Frühstück ein für allemal, und du plauderst mir dabei vor, was du die Stunden vorher geträumt hast. Gute Träume kommen einem Sensationskapitel am nächsten; übrigens brauchen sie nicht wahr zu sein, nur hübsch und unterhaltlich. Und dann entlaß ich dich in Gnaden, und du bist frei bis zu Tisch. Aber so leicht das klingt, so schwer wiegt es, denn es ist eine lange, lange Zeit, und unser Besuch heute hat uns nur zufällig mit einer Ausnahme debütieren lassen. Also frei bis zu Tisch, bis sechs. Dann speisen wir, und gleich darnach beginnt unser eigentlicher Tag oder, sag ich lieber, der meinige. Nach Tisch haben wir dann noch eine Fahrt etwa wie heute früh, und unterwegs erzählst du mir dies und das und gibst mir eine Quintessenz aus der Plauderecke der Zeitung.«
»Auch vom Theater?«
»Ei, gewiß. Das ist ja gerade das Beste, Fränzl, das ist die Hauptsach. Es war mir schon recht heute, daß der Geck von Devaviany meiner lieben kleinen Gräfin die Ehre gegönnt und über seine neuesten Coulissenconnaissancen – denn er wechselt jede dritte Woche – geschwiegen hat, aber wenn wir unter uns sind, Fränzl, und in dem Korbwägelchen über die Wiese fliegen, ei, dann will ich auch hören, was mir Spaß macht, von dem Speidel und dem Spitzer und dem Herrn von Dingelstedt und dem Herrn von Laube. Versteht sich. Und will auch hören, ob uns der Strakosch wieder ein neu Genie präpariert oder ob uns der Herr von Wilbrandt eine neue römische Kaiserin appetitlich zurechtmacht. Ja, Fränzl, davon will ich hören. Und dann nehmen wir unsern Tee, wär's auch nur, weil ich die kleine blaue Flamme so gerne seh, viel lieber als die bei Schwester Judith, und nach dem Tee, nun, da spielen wir ein Schach oder noch lieber ein Piquet. Aber du darfst nicht betrügen und nicht vierzehn Buben ansagen, wenn du sie nicht hast. Und wenn dann Vollmond ist oder auch nur die Sichel über der Terrasse steht, dann laß ich den Hanka kommen und den Toldy – denn wenn wir sie beide haben, dann überbieten sie sich und will jeder der Erste sein –, und dann haben wir einen Czardas und sehen zu, wie sich das junge Volk im Kreise dreht.«
»Und ich tanze mit«
»Tanzt Gräfin mit«, lachte der Graf. »O gewiß, das paßt. Und der Andras weiß sich zu schicken. Ist Magyar.«
»Und bei solchem Leben, Petöfy, willst du mir noch von Einsamkeit und Langeweile sprechen? Das ist ja wie aus dem Märchen.«
»Ja, Fränzl, wie aus dem Märchen. Freilich. Aber ein Märchenleben ist kein Leben. Es fehlt was darin.«
»Und das wäre?«
»Die Menschen.«
»Ich entbehre sie nicht.«
»Jetzt nicht, heute nicht. Aber es wechselt alles. Und ein Tag ist kurz und ein Tag ist lang.«
Achtzehntes Kapitel
Der andere Morgen sah beide wieder auf der Veranda.
»Nun, Fränzl, immer im Programm. Paragraph eins: wie hast du geschlafen? Paragraph zwei: was hast du geträumt?«
»Es war leider etwas wirr. Ich sah Szabô, den alten Obersten, in einer
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