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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ansichtig wurde. Doch es ging rascher vorüber, als sie dachte, vielleicht weil ihr Hannahs Bild wieder in Erinnerung kam. »Ja, diese Bibel- und Gesangbuchleute«, sagte sie, »sie sind doch beneidenswert und nicht bloß besser, sondern auch klüger als wir. Wirklich, es verlohnte sich nicht, eine Stunde zu leben, wenn ein Menschenlos daran hinge, ob eine Glocke springt oder nicht.«
     
Sechzehntes Kapitel
     
    Der alte Toldy, der den Gärtner inzwischen abgelegt und den Galeriediener angezogen hatte, wartete schon auf der Rampe. Mit ihm Andras.
    »Alles in Ordnung, Toldy?« fragte der Graf.
    Toldy nickte.
    »Gut. Aber wir wollen nicht hier hinauf, nicht die große Treppe; ich will der Gräfin den alten Turm zeigen.«
    Unter diesen Worten nahm er Franziskas Arm und führte sie, während Andras vorauflief und Toldy folgte, bis an einen alten, an den neueren Schloßbau sich anlehnenden Eck- und Feldsteinturm, in dem eine Wendeltreppe zwei Stock hoch hinaufstieg. Alles Licht kam durch schmale, nur handbreite Scharten, die von fünf Schritt zu fünf Schritt das dicke Mauerwerk durchbrachen. An einer dieser Öffnungen hielt der Graf und wies auf die Landschaft, die sich gerade von hier aus in einer besonderen Schönheit zeigte: weithin sichtbar flimmerte der See, rechts daneben aber stieg ein hoher und scharf profilierter Felskegel auf, der »der Bischof« hieß, weil man den Stab und die Bischofsmütze deutlich erkennen zu können glaubte.
    Wieder einige Stufen höher war an Stelle der Scharten eine niedrige, mit dem Neubau Verbindung haltende Spitzbogentür, und hier stand Andras, um durch eine tunnelartige Passage hin den Weg zu zeigen. Der Graf bückte sich und reichte von rückwärts her Franziska die Hand.
    Als diese glücklich aus dem Defilee heraus war, war sie frappiert von der Anmut des unmittelbar dahinter gelegenen Zimmers, das in diesem Augenblicke nach der eben passierten Enge beinahe geräumig wirkte, trotzdem es nur ein einziges, erkerartig vorspringendes Fenster, ein sogenanntes bow-window, hatte. Dies Zimmer hieß das Howardcabinet und enthielt ausschließlich Landschaften, die der englischen Mutter des Grafen, der schönen Arabella Howard, bei Gelegenheit einer Erbschaft zugefallen waren. Einige dieser Landschaften waren von Gainsborough, andere von Everdingen oder doch aus seiner Schule. Franziska, trotz allem, was sie vor wenig Stunden erst über Galeriebesuch gesagt und geklagt hatte, hatte doch Verständnis für Bilder und erkannte leicht, daß es sich hier um etwas Besonderes und Hervorragendes handle, was eine sorgliche Musterung nicht nur verlohne, sondern sogar fordere; der Graf aber verriet augenscheinlich Ungeduld und wollte weiter, weil er sich auf den Eindruck freute, den der Ahnensaal auf Franziska machen würde.
    Diese Freude blieb ihm aber aus, denn im selben Augenblick, wo man unter Zurückschlagung einer Portière von dem Cabinet her in den Bilder- und Ahnensaal eingetreten war, erschien auch schon Herr Koloman Czagy mit der Meldung, daß Besuch gekommen sei.
    »Wer?« fragte der Graf ungehalten und beinahe barsch.
    »Oberst Szabô mit Baron Perczel und Graf Devaviany.«
    »Ah, Szabô«, rekolligierte sich der Graf. »Unsere medisanteste Zunge! Die Herren sind offenbar neugierig, dich kennenzulernen, und warten auf den Augenblick, um mit ihrer Klatsch- und Lügenpost um unsern See herumfahren zu können. Aber meinetwegen. Komm, laß uns abbrechen, Fränzl; ich werde dich vorstellen.«
    »Ist es so dein bestimmter Wunsch und Wille?«
    »Wille? Was Wille! Der deine gilt; du bestimmst.«
    »Dann zieh ich es vor, hier zu bleiben und die Neugier der drei Herren noch ein weniges warten zu lassen.«
    »Einverstanden. Man soll es den Klatschbasen beiderlei Geschlechts nicht allzu bequem machen. Und nun sieh dich um in der Galerie. Toldy kennt sie besser als ich.«
    Damit ging er, und Franziska blieb mit Toldy zurück. Dieser, sowenig er von Bildern verstand, war doch in dem einen ein guter und geschulter Galeriediener, daß sich die schwere Kunst, »nicht zu stören«, all seiner sonstigen Plauderhaftigkeit zum Trotz angeeignet hatte. Klug hielt er sich zurück, auch heute wieder, immer abwartend, ob Franziska nach ihm verlangen würde.
    Diese trat ohne weiteres an eine der Längswände heran, an der sich in stattlicher Reihe die lebensgroßen Bilder der Familie Petöfy befanden. Über alles, was noch Rüstung und hohe Reiterstiefel trug, ging sie schnell hinweg und verriet erst

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