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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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begegnet. »Habe lange genug in Deutschland gelebt, mein lieber Ambronn, um euer Sprüchwort zu kennen: ›Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.‹ Also nur erst fertig hier. Wir haben Zeit und die Toten auch. Übrigens seht nur, wie Gräfin Judith Euch zusieht; sie verschlingt Euch fast, so gut gefallt Ihr ihr. Und ist nicht der schlimmste Geschmack, den sie hat. Nicht wahr, Judith? Aber dafür müßt Ihr sorgen, Ambronn, daß der Jung am Blasbalg seine Schuldigkeit tut und daß die Funken immer höher fliegen. Haben wir die, so haben wir alles, und es kann dann so lange dauern, wie's will. Ist dann, als ob wir Feuerwerk hätten.«
    Der Schmied, der vornehme Leute sehr gut kannte, beeilte sich nichtsdestoweniger, und ehe zehn Minuten um waren, erschien er mit dem Schlüssel und bog, vorangehend, auf den kleinen Platz ein, auf dem die Kapelle gelegen war.
    Es war ein Grasplatz mit zwei runden Asterbeeten und einem Kiesweg dazwischen; mitten auf dem Kiesweg aber stand eine Sonnenuhr. Egon wies darauf hin, als er mit Franziska vorüberging. »Für wen?«
    Und nun stieg der Schmied die Steinstufen hinauf und öffnete die große Gittertür, dieselbe, durch die Franziska gleich am ersten Ausfahrtstage mit dem Grafen einen Blick geworfen und das Flimmern der Ewigen Lampe gesehen hatte.
    Drinnen sah es etwas vernachlässigt aus, der Graf war eben kein Kapellenbesucher. Und nun gar eine Gruftkapelle! Staub und Spinnwebe lagerten über allem, und der unausgesetzt aufsteigende Qualm der Ewigen Lampe hatte das steife byzantinische Marienbild, das an der Wand dahinter aufragte, halb überblakt. Die strengen Züge schienen noch strenger geworden, und nur das Christkind, das nach der Weltkugel griff, lächelte.
    Franziska konnte sich von dem Bilde nicht trennen und sah andächtig und bewegt hinauf, während Egon, der zum ersten Male hier war, ziemlich abgespannt an den Särgen hinschritt und sie wiederholentlich zählte, trotzdem zur Feststellung ihrer Zahl ein einziger Blick genügte. Nur auf dem letzten Sarge lag ein Kranz, aber verwelkt, weil er nur einmal alljährlich erneuert wurde.
    Der alte Graf schien nicht viel interessierter als Egon, am lästigsten aber war ihm das Anstandsschweigen, die gezwungene Rücksicht auf Gebete, die, Judith abgerechnet, mutmaßlich von keinem gesprochen wurden. Endlich trat er in die Lücke, die noch zwischen dem letzten Sarg und dem Wandpfeiler war, und sagte: »Sieh, Judith, zwei Plätze noch, für dich und für mich. Kommt noch wer, so müssen wir zusammenrücken. Die Petöfys haben es an Politesse nie fehlen lassen.«
    Franziska gab es einen Stich, als er so sprach. Gehörte sie nicht hierher? Überkam ihn plötzlich eine Standes- und Hochmutslaune? Nein, unmöglich. Wenn er sich eben halb scherzhaft seiner Politesse berühmt hatte, so wußte sie, daß er eines besaß, das ungleich höher stand: Edelsinn und ein innerstes Widerstreben, anderer Gefühle zu verletzen. Aber wenn es nicht Hochmutslaune war, was war es dann? War es, daß er sie zart und rücksichtsvoll in ihrer Eigenschaft als Protestantin nicht ohne weiteres an die katholische Stelle hin einladen wollte? Sie kam zu keinem Abschluß und ging ernst und sinnend neben der alten Gräfin her, die, halb durch ihre Wünsche, halb durch ihre Korrespondenz mit Feßler präokkupiert, all diesem Ernst und Sinnen eine andere Deutung gab und an die Möglichkeit dachte, daß der Moment vor dem verblakten Marienbilde doch vielleicht ein Erweckungsmoment gewesen sein könne.
     
    Unter denselben Pausen, die man beim Hinabsteigen gemacht hatte, stieg man auch wieder bergan und war eben bei dem Teich und seinen Hängeweiden angekommen, als man etwas höher hinauf ein Schluchzen, Lärmen und Lamentieren hörte, das, wenn nicht alles täuschte, von der Stelle herkam, wo hinter dem langen Weingange die Gärtnerei gelegen war. Und wirklich, als man sich mit soviel Raschheit, wie das Asthma der alten Gräfin nur irgendwie zuließ, jener Vorlaube genähert hatte, vor der Franziska damals an dem Barcsaitage mit soviel Devotion und Liebe von seiten der Toldyschen Kinder empfangen worden war, sah man, daß sich hier etwas Ungewöhnliches ereignet haben müsse, denn nicht nur lief Toldy wie von der Tarantel gestochen auf und ab, auch die beiden ältesten Töchter starrten, den Kopf auf die Hand gestützt, in Traurigkeit vor sich hin, während vier kleinere, von denen keines über sieben zählte, bald an dem Rock des Vaters, bald an Kleid oder Schürze der beiden

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