Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Unten in Szegenihaza schloß sich dem Egonschen Trupp auch noch der kleine geistliche Herr an, anscheinend um dem Ganzen eine höhere Weihe zu geben, in Wahrheit aber aus Vorliebe für die junge Gräfin und in dankerfüllter Erinnerung an die Stunden und Tage, die sein armes, kleines Leben einen Sommer lang beglückt hatten.
    Egon hieß ihn willkommen, und in jagdgerechtem Absuchen immer wieder von der Peripherie der Gehölze her bis in das Innere vordringend, ritt man von Dorf zu Dorf, auch sonst noch auf jede Kleinigkeit achtend. Aber die Sonne stand schon ziemlich tief, ohne daß man einer Spur des Kindes begegnet wäre. Franziska hing den Kopf, während Egon in wirklicher oder erkünstelter Verstimmung über den Schuft von Hanka herfiel, der bloß große Worte gemacht habe, sehr wahrscheinlich aber mit im Komplott sei. Das ganze Vergnügen sei wie Dachsgraben ohne Dachs, und alles in allem habe der Junge, der Andras, ganz recht, wenn er von zu vielen Geschwistern im Hause Toldy spreche.
    Bei solchem Geplauder waren sie bis in die Nähe der Südspitze des Sees gekommen, als sie plötzlich einige hundert Schritte hinter sich ein Rufen hörten und in raschem Sichwenden Andras erkannten, der, eine Strecke Weges zurückgeblieben, in seiner Linken etwas in die Höhe zu halten schien. Gleich darnach aber hörten sie, daß er Marischkas kleine Schuhe auf dem Grabenrande gefunden habe, ganz so wie hingestellt, um leicht und bequem gesehen zu werden; dies sei der eine, den andern aber hab er stehenlassen, um die Stelle nicht zu verpassen; er wette jetzt seinen Kopf, hier würden sie die Marischka finden, tot oder lebendig. Alle waren derselben Meinung und umstellten, als ihr Trupp heran war, eine von Disteln, Gras und Heidekraut überwachsene Gemarkung, auf der sie nun abermals wie zum Kesseltreiben vorgingen. Und siehe da, was man vermutet hatte, traf ein, und zwischen hohem Farnkraut, ein Tuch unterm Kopfe, lag das Kind und schlief. Auch ein weniges von Brot war ihm in die Tasche gesteckt worden. Alles jubelte, sogar Egon, und jeder bedauerte, daß der alte Toldy, weil bei der andern Kolonne, sein Glück nicht gleich erfahren könne. Zwei, drei Schloßleute brachen denn auch auf, ihn an der andern Seeseite zu suchen, der Rest aber legte das übermüdete Kind, das ruhig weiterschlief, in einen Korb und machte kehrt, um nunmehr unter Führung des Geistlichen an demselben Ufer hin, an dem man gekommen war, den Rückweg anzutreten.
    Dies war ein mehr als dreistündiger Weg, den die vom langen Ritt sich ohnehin ermüdet fühlende Franziska nicht auch noch im Sattel zurückzulegen wünschte, weshalb sie vorschlug, lieber in der einmal eingeschlagenen Richtung bis zu dem nahen Nagy-Vasar hin weiterreiten und von dort aus das letzte Dampfschiff zur Heimfahrt benutzen zu wollen. Andras solle sie beide begleiten.
    Egon war mit dem Vorschlage zufrieden, und so ritten sie denn auf den Flecken und seine Dampfschiffstelle zu.
     
Achtundzwanzigstes Kapitel
     
    Es schlug eben sechs in den umliegenden Dörfern, als Egon und Franiska, nur von Andras begleitet, auf Nagy-Vasar zuritten. Was sie nach rechts und links hin vor sich hatten, waren Äcker und Wiesen, und nur dann und wann unterbrach ein mit Tannen untermischtes Birkengehölz die sich bis an den See hin dehnende Plaine. Der Weg konnte keine halbe Stunde mehr sein, und so mußten sie das um sieben Uhr abgehende Boot noch bei guter Zeit erreichen, auch wenn sie nur Schritt ritten.
    Aber gleich das erste Gehölz, das sie zu passieren hatten, gab ihnen einen Aufenthalt, indem sie ziemlich in der Mitte desselben einen Feuerschein zwischen den Bäumen hin wahrnahmen und allerlei Stimmen zu hören glaubten. Es schien ein Streit.
    »Wir müssen hinein und sehen, was es ist«, rief Egon, sein Pferd rasch herumwerfend, während ihm Andras und Franziska durch die weißen Birkenstämme hin folgten. Aber sie fanden nichts und kehrten endlich nach längerem Suchen auf die große Straße zurück.
    »Ich hoffte schon«, sagte Egon, »daß wir dem Toldy noch ein zweites, ein Pflegekind mitbringen könnten.«
    »Dessen er sich in dem Glück über das eigene Kind auch sehr wahrscheinlich gefreut haben würde.«
    »Ganz unzweifelhaft. Denn zu den vielen Unerklärlichkeiten des Daseins gehört auch die, woher die gewöhnlichen Leute, die sogenannten Enterbten der Gesellschaft, ihre Zärtlichkeit nehmen.«
    »Ich dächte, daher, woher andere sie gemeinhin auch nehmen oder doch nehmen sollten, aus dem

Weitere Kostenlose Bücher