Grandios gescheitert
aber die Dekade als Nachfolger der Woche zur Grundlage: Der erste Tag der Dekade hieß fortan Primidi, der zweite Duodi, der dritte Tridi bis hin zu Nonidi als neunten und Décadi als zehnten und letzten Tag der Dekade. Damit bekam wie in unserer ausführlichen Datumsangabe jeder Tag eine Zahl für seine Position innerhalb eines Monats und die Wochentagsbezeichnung für seine Stellung in der Dekade. Darüber hinaus erhielt jeder Tag des Jahres, quasi als Patron, den Namen einer Pflanze oder Frucht, eines Baumes, Haustieres oder eines Landwirtschaftsgerätes. Rommes Vorschlag der politischen Namensgebung blieb den fünf (in Schaltjahren sechs) Zusatztagen am Jahresende (nunmehr unmittelbar vor Herbstanfang): Sie wurden nach dem revolutionären, einfachen Volk Sansculottiden genannt und sollten nationale Festtage sein.
Angesichts der christlichen Prägung des alten Kalenders ist die antikirchliche Stoßrichtung des neuen unverkennbar. Und die Macht der alten Ordnung verkörperte die Kirche kaum weniger als das Königtum. Zumal wenn sie als Mittel der Dechristianisierung genutzt wurde und die religiösen Botschaften für den Alltag durch solche der Revolution ersetzte, konnte der erzieherische Effekt einer Kalenderreform mithin beachtlich sein. Aber natürlich stand und fiel der Erfolg revolutionärer Erziehung mittels des Kalenders mit dem Grad seiner Durchsetzung als Alltagsinstrument und seines Triumphes über seinen Vorgänger – Fabre verwies denn auch darauf, dass der Kalender bis in die entlegensten Dörfer verbreitet sei.
Ein anderer, sehr viel spürbarerer Aspekt wurde zum Pferdefuß der Reform: Rommes Regelung der Monatsunterteilung. Der christliche Kalender ist nicht der einzige oder erste, der die Sieben-Tage-Woche kennt, denn diese geht vermutlich bereits auf den viel älteren babylonischen Kalender zurück und war bereits vom jüdischen, griechischen und ägyptischen Kalender übernommen worden. Gleichwohl verstehen Christen und Juden die Woche als gottgegeben, weil sie im Alten Testament propagiert wird – was natürlich nicht bedeutet, sie sei nicht schon zuvor praktiziert worden. Der Bibel zufolge erschuf Gott die Erde in sechs Tagen und ruhte am siebten, weshalb nicht nur die Sieben-Tage-Woche, sondern auch der Sonntag als Ruhetag religiös sanktioniert war. Die Woche basiert auf einer einigermaßen sinnvollen, allerdings nicht aufgehenden Einteilung des Mondmonats von rund 30 Tagen – oder auf der Viertelung der sichtbaren Mondphase. Sie war zudem sozusagen in den Himmel geschrieben durch die sieben Gestirne, deren Weg am Firmament man mit bloßem Auge beobachten kann: Sonne und Mond sowie Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Darauf gehen in vielen Sprachen von Koreanisch über Albanisch bis Französisch die Wochentagsbezeichnungen zurück. Dass ein Monat nicht exakt vier Wochen umfasst, führt dazu, dass jeder Wochentag Monatsbeginn sein kann und manche Wochen ihre Tage auf zwei Monate verteilen müssen. Solcherlei Unordnung missfiel dem geometrischen Geist eines Romme ebenso sehr, wie die als gottgegeben aufgefasste Woche dem aufgeklärten Ethos der Revolution und deren antireligiöser Ausrichtung zuwiderlief. Sie muss auch heute noch jedem Buchhalter als nichtsnutzige Erschwernis vorkommen.
Romme propagierte die Umsetzung des Dezimalsystems, also die Einführung von Dekaden, zumal die wenigstens leidlich auf das Sonnenjahr ausgehen: mit 36,5 Dekaden oder 73 »Semi-Dekaden«. Mit der Einführung des Dezimalsystems in die Zeitrechnung sollte es aber noch nicht getan sein: Auch die Unterteilung des Tages wollte Romme ändern. Statt zweimal 12 Stunden mit je 60 Minuten sollten es 10 Dezimalstunden mit je 100 Dezimalminuten sein. Deren Einführung sollte allerdings einstweilen aufgeschoben werden, um den Uhrenherstellern die nötige Zeit zur Umstellung ihrer Produktion zu geben. Diesen Teil der Reform können wir vernachlässigen, denn seine Durchsetzung scheiterte bereits im Ansatz; Chronometer mit dezimalem Zifferblatt sind heute unter Kennern gesuchte Raritäten.
Immerhin: In Paris installierte man eine öffentliche Dezimaluhr, und natürlich begleitete der Schlag einer solchen Uhr die Debatten der Nationalversammlung. Für das südfranzösische Marseille ist belegt, dass die Stadtverwaltung die Dezimalzeit, etwa für Standesamt oder Gericht, verbindlich anwandte. Noch extremer, regelrecht totalitär in seiner Regelwut mutet ein Vorschlag an, der ebendeshalb sogleich abgelehnt wurde: Der
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