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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Menge Strom erzeugen, die der damaligen Gesamtproduktion aller europäischen Kraftwerke entsprach. In Nordafrika schließlich wollte Sörgel die Hauptstadt des neuen Kontinents Atlantropa errichten lassen, gebaut für zwölf Millionen Einwohner an der Stelle des heutigen Tunis.
    Allein für die erste Verdunstungsphase im Westen ging Sörgel von 120 Jahren aus, gar 250 Jahre sollte es dauern, bis die Verdunstung das Mittelmeer östlich des Tunisdamms um 200 Meter abgesenkt haben würde. Bei einem Baubeginn um 1930 stünden wir also nunmehr, zu Anfang des 21. Jahrhunderts, noch immer in Projektphase I.
    Im Ergebnis wäre das Mittelmeer um ein Fünftel geschrumpft; das gewonnene Neuland hätte der Fläche von Frankreich und Belgien zusammen entsprochen: 576.000 Quadratkilometer. Das Mittelmeer hätte sein Antlitz komplett verändert, der mediterrane Raum, wie wir ihn heute kennen, wäre Vergangenheit. In vielen Gebieten, insbesondere des östlichen Mittelmeerraums, wo die Küsten flacher abfallen als weiter westlich, hätte sich die Küstenlinie weit aufs heutige Meer hinausgeschoben. Das flache Nordbecken der Adria, das nördlich des Garganogebirges (der »Sporn« des italienischen Stiefels) maximal 200 Meter Tiefe erreicht, wäre verschwunden, ebenso Teile der griechischen Ägäis. Viele der kleinen griechischen Inseln wären zu größeren zusammengewachsen, ebenso im westlichen Mittelmeer Korsika und Sardinien, Ibiza und Formentera oder Mallorca und Menorca sowie, dazwischen, Sizi­lien und Malta. Das derart vergrößerte Sizilien wäre mit Italien zusammengewachsen, weil die Meerenge von Messina der Absenkung des Meeresspiegels zum Opfer gefallen wäre. (Zugunsten des Schiffsverkehrs plante Sörgel aber, eine Wasserverbindung mit Schleusenbetrieb zuzulassen.) Wieder andere Inseln würden mit dem vorrückenden Festland vereinigt: Djerba und Elba beispielsweise, ebenso Ischia und Capri, aber auch Samos, Lesbos und Kos. Zypern hätte seine Landfläche enorm vergrößert, ebenso Kreta.
    Sörgels weiter Blick ging aber über Europa und den Mittelmeerraum hinaus. Die nunmehr erreichte Landverbindung zwischen Europa und Afrika rühmte er wegen des ungeheuren Entwicklungspotenzials. Mittels Bewässerung durch das überschüssige Mittelmeerwasser sollte nach der Entsalzung in Afrika weiteres fruchtbares Ackerland, bis zu drei Millionen Quadratkilometer, in den afrikanischen Anrainerstaaten gewonnen werden. Später ging Sörgel noch weiter und projektierte einen riesigen Süßwasserstausee im Kongobecken (damals Kolonialbesitz des belgischen Königs) im Ausmaß von 900.000 Quadratkilometern, also der annähernd dreifachen Größe Polens, sowie weitere Seen im Tschad (damals französische Kolonie), im heutigen Sambia (damaliges britisches Protektorat Nordrhodesien) und Simbabwe (Südrhodesien, damals ebenfalls britisch). Dabei ging es nicht nur um Urbarmachung und Bewässerung, sondern auch um einen klimatischen Effekt, der sich auf Europa positiv auswirken sollte: Es sollte im Norden milder werden; insgesamt sollten sich Afrika und Europa klimatisch einander annähern.
    Die klimatischen Veränderungen, die die Umsetzung des Atlantropa-Projekts und seine nord- und zentralafrikanischen Folgepläne mit sich bringen würden, waren Gegenstand erbitterter Debatten. Angezweifelt wurde, ob Afrika wirklich mit mehr Niederschlag zu rechnen hätte, wenn dort riesige Binnenseen aufgestaut würden. Berechtigt erscheint auch die Frage, ob die geringere Verdunstungsmenge durch die kleinere Fläche des abgesenkten Mittelmeeres nicht auch zu geringeren Niederschlagsmengen über Europa führen musste. Andere warnten vor unabsehbaren Auswirkungen auf die ohnehin heiklen tektonischen Verhältnisse unter dem Meeresboden und vor der Gefahr von Erdbeben oder Vulkanausbrüchen für die errichteten Staudämme. Kontroverse Meinungen herrschten auch darüber, wie sich der Gibraltardamm auf den Verlauf des für Europas Klima so wichtigen Golfstroms auswirken würde. Und hatte nicht der Anstieg des ohnehin schon hohen Salzgehalts des Mittelmeeres im Gefolge der Absenkung negative Folgen? Wie fruchtbar konnte überhaupt das Neuland sein, das dem stark salzhaltigen Mittelmeer abgerungen würde? Sogar die Gefahr der sich verschiebenden Erdachse wegen der Umleitung riesiger Wassermassen wurde beschworen. Das Für und Wider mit jeweils wissenschaftlich untermauerten Erkenntnissen erinnert ein wenig an die kontroversen Debatten heutiger Zeit um den

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