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Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
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oder zwei Jahre
jünger. Also ziemlich jung noch. Hübsch. Is mit ’nem Affenzahn durch die Gegend gelaufen, das kann ich Ihnen sagen!«
»Wahrscheinlich hatte sie es eilig, den letzten Zug zu erwischen«, murmelte ich geistesabwesend. Ich habe keine
Ahnung, warum, aber vermutlich, weil wir in einer Bahnhofshalle saßen.
»Nein … hab ich doch schon erklärt: Ich war in dem
Windfang, drüben vor der St.-Agatha-Kirche. Sie kenn’n die
Kirche?«
Ich kannte die Kirche. Sie lag vielleicht vierhundert Meter
von meiner Souterrainwohnung entfernt, ein roter gotischer
Ziegelsteinbau mit Maschendraht vor sämtlichen Fenstern
zum Schutz vor Wurfgeschossen wie Steinen oder MolotowCocktails. Kirchen ziehen so was nämlich heutzutage an.
»Sie is nich zum Zug gerannt. Sie is weggerannt vor zwei
Typen. Aber die zwei Typen waren in einem Auto, deswegen
hat es ihr nichts genutzt. Der Wagen kommt mit quietschenden Reifen um die Ecke und hält direkt vor dem Windfang, wo ich bin. Die zwei Typen springen raus und packen
das Mädchen. Die fängt an zu treten und zu schreien, aber
einer legt ihr die Hand auf den Mund. Sie schubsen sie in
den Wagen und schwupp, weg sind sie!«
Die Geschichte fing an mich zu beunruhigen – vorausgesetzt, dass er sie nicht einfach erfunden hatte. Irgendwie klang
sie wahr. Ich dachte über eine mögliche Erklärung nach –
keine schöne, nichtsdestotrotz eben eine Erklärung.
»St. Agatha unterhält ein Frauenhaus«, meinte ich. »Vielleicht ist sie von dort gekommen oder war auf dem Weg
dorthin, und ihr Freund oder Ehemann und einer seiner
Freunde haben sie abgefangen.«
»Sie hat nich ausgesehen wie eine misshandelte Frau«,
widersprach mir Albie. »Sie sah aus wie eine von diesen
Töchtern aus gutem Haus. Ich hab’s ganz deutlich gesehen,
war ja direkt vor meiner Nase. Aber die haben mich nicht
gesehen. Ich hab mich ganz nach hinten verdrückt, aus dem
Licht raus.« Er stockte. »Das sind keine Amateure gewesen,
nee, das waren keine! Das war’n eindeutig Profis. Kein Ehemann und kein Freund. Die hab’n genau gewusst, was sie
wollten. Einer von den beiden hat ein Stück Stoff in der
Hand gehabt.«
»Wer hatte Stoff in der Hand?« Ich wurde immer beunruhigter. Wenn das so weiterging, würde ich bald ein paar
von Onkel Haris Pillen brauchen.
»Einer der beiden Typen. Er hat es ihr aufs Gesicht gedrückt. Es hat nach Krankenhaus gerochen. Ich konnte es
riechen, sogar von meinem Platz aus. Sie hat dann aufgehört
zu strampeln, is zusammengesackt und war ganz schlaff, als
er sie in den Wagen gestoßen hat. Sie hat sich nicht gerührt,
dahinten auf dem Rücksitz. Ich hab nur noch ihre Schulter
und den Pullover gesehen. Es waren K.-o.-Tropfen, jawohl!«
»Haben Sie das der Polizei gemeldet, Albie?«
»’Türlich nich!« Er klang richtig vorwurfsvoll, als hätte
ich einen unanständigen Vorschlag gemacht. »Glauben Sie,
ich will, dass die mir den Schädel einschlagen, diese Typen?
Die wären gekommen und hätten nach mir gesucht! Ich bin
doch ein Zeuge! Ich hab ihre Gesichter gesehen und ihren
Wagen. Es war ein blaues Auto, glaub ich. Das Laternenlicht
spielt einem Streiche mit den Farben. Das Auto war ein altes
Modell. Ein Cortina. An der Seite war eine Beule, ein langer
weißer Kratzer, als hätte er einen anderen Wagen gestreift,
einen weißen, der sich dann da verewigt hat, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Ich verstand, was er meinte. Und überlegte, wie bemerkenswert es war, dass ihm so etwas aufgefallen war. Und dass
die vielen Einzelheiten es immer unwahrscheinlicher machten,
dass er sich die ganze Geschichte einfach ausgedacht hatte.
»Albie, Sie erzählen mir da, dass Sie ein ernstes Verbrechen beobachtet haben! Diese junge Frau könnte in großer
Gefahr schweben … Sie müssen …«
»Fran?«
Ich war so gefesselt von Albies Geschichte, dass ich gar
nicht gesehen hatte, wie Ganesh angekommen war. Er stand
vor mir, die Hände in den Taschen seiner schwarzen Lederjacke, und sah mich stirnrunzelnd an. Der Wind zerzauste seine
langen schwarzen Haare. Er nahm eine Hand aus der Tasche,
deutete auf Albie und fragte: »Was will der von dir?«
»Wer ist dieser Mann?«, fragte Albie seinerseits, und es
war klar, dass er sich beleidigt fühlte. »Ein Freund von Ihnen?«
»Ja. Er ist derjenige, auf den ich hier gewartet …« Weiter
kam ich nicht.
Albie erhob sich. »Danke für den Kaffee, junge Frau.« Er
stapfte auf die gleiche überraschend flinke Art und Weise
davon, wie er

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