Granger Ann - Varady - 04
kühlen Dose darin verschwitzt an. Ich war nervös,
selbst angesichts der vielen Menschen um mich herum. Ich
trug meine Bomberjacke und saubere Jeans (dank Haris
Waschmaschine), doch jeder Anschein von Ehrbarkeit wurde zunichte gemacht durch meinen rechten Stiefel, der noch
immer mit Bens Gartenschnur geschnürt war. Ich stellte den
Fuß nach hinten mit der Sohle an die Wand, um den Makel
zu verbergen, dann blickte ich mich um – und erstarrte.
Ein klein wenig abseits stand eine vertraute Gestalt vor
einem Aushang und studierte aufmerksam die Fahrpläne,
die Hände in den Taschen seiner schweren Winterlederjacke, das lange schwarze Haar tief im Gesicht. Mir stockte
der Atem. Genau das konnte ich nicht gebrauchen, und ich
verfluchte mich insgeheim, dass ich es nicht vorhergesehen
hatte. Ganesh hatte sich zu meinem Aufpasser gemacht und
an meine Fersen geheftet.
Ich war völlig ahnungslos gewesen, dass er mir gefolgt war.
Ich war überrascht, dass Hari ihm freigegeben hatte, und
fragte mich, welche Ausrede Ganesh bei seinem Onkel vorgebracht hatte. Jetzt war es zu spät, und ich konnte nichts mehr
dagegen tun. Ich konnte nicht zu ihm hingehen und ihn
fragen, was um alles in der Welt er zu tun glaubte und ob es
ihm egal wäre, meine mühsam ausgehandelten Arrangements zunichte zu machen. Der dumme Zufall würde dafür
sorgen, dass Jerry Wilde genau in jenem Augenblick auftauchte. Und falls er mich mit jemand anderem zusammen
sah, würde er sich zehn zu eins auf der Stelle umdrehen und
in den nächsten Zug nach Hause steigen. Also wandte ich
mich ab und ignorierte Ganesh. Er ignorierte mich ebenfalls, doch ich wusste, dass er mich entdeckt hatte. Ich fragte
mich, wie lange er dort glaubte stehen bleiben und die Karte
studieren zu können, bevor einer von den UndercoverTypen, die in Londons U-Bahn-Stationen herumhingen, auf
die Idee kam, dass er wahrscheinlich ein Drogendealer war,
und ihn einkassierte.
Man kann die Undercover-Typen erkennen, wenn man
ein wenig Übung hat – sie sind die abgerissensten Leute in
der ganzen U-Bahn, denen man es am wenigsten zutrauen
würde.
Schlimmer noch, die London Transport Police war inzwischen ebenfalls eingetroffen in Gestalt zweier uniformierter
Beamter, die wahrscheinlich nach Bettlern und Pennern
Ausschau hielten. Jerry Wilde würde ihren Anblick ebenfalls
nicht mögen. Zu meiner Erleichterung wanderten sie jedoch
weiter und suchten anderswo nach möglichen Opfern.
Nicht einen Augenblick zu früh.
Ich war so abgelenkt gewesen mit all diesen möglichen
Spielverderbern, die rings um mich materialisiert waren, dass
ich Jerry Wilde erst bemerkte, als er bereits vor mir stand.
»Nun?«, sagte er anstelle einer Begrüßung. Er baute sich
drohend über mir auf, und das mit voller Absicht. Er war
kein stämmiger Mann, doch er war groß und wirkte durchtrainiert und muskulös. Wahrscheinlich spielte er Tennis
oder Squash.
Ich drückte mich von der Wand ab und gab mir Mühe,
nicht beunruhigt zu erscheinen. Ich konnte Ganesh nicht
sehen, der nicht mehr vor den Fahrplänen stand und wahrscheinlich an irgendeiner anderen Stelle »unverdächtig« auf
der Lauer lag.
»Ich habe ein paar Neuigkeiten für Sie«, sagte ich zu Wilde. »Sie werden Ihnen nicht gefallen. Der Grund, warum ich
Ihnen davon erzähle, ist, dass ich trotz allem, was Sie zu
glauben scheinen, ebenfalls verhindern möchte, dass Nicola
die Wahrheit erfährt.«
»Sie sind so verdammt sicher, dass Sie die Wahrheit kennen«, fauchte er mich an.
Einer der Polizisten von London Transport war zurückgekehrt. Er beobachtete uns misstrauisch. Wahrscheinlich
war ich ihm schon vorher aufgefallen, und nun, da sich dieser gut situierte Gentleman zu mir gesellt hatte, schien offensichtlich, dass ich auf den Strich ging und mit diesem
Mann ins Geschäft zu kommen gedachte. Verdammt – wir
mussten von hier verschwinden.
»Wir müssen weg von hier und uns irgendwo anders unterhalten«, sagte ich zu Wilde.
»Sie haben den Treffpunkt hier arrangiert«, entgegnete
Wilde halsstarrig. »Ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern.«
»Dann sagen Sie das unserem Freund und Helfer in Blau
dort drüben.«
Er blickte in die angegebene Richtung, und sein Gesicht
zuckte. »Also schön. Wir suchen uns ein Café. Es muss
schließlich irgendwo in der Nähe eins geben.«
Wir stiegen die abfallübersäte Treppe hinauf zur Straßenebene. Leute strömten uns vom Bürgersteig oben entgegen
und an uns vorbei auf dem Weg zu
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