Granger Ann - Varady - 04
platzte er heraus. »Das ist
sicher wieder irgend so ein Trick von Ihnen, um Geld von
mir zu erpressen!«
»Wie Sie meinen«, erwiderte ich. »Ich will Ihr Geld nicht.
Es wäre wie die dreißig Silberstücke, die Judas Iskariot für den
Verrat an Jesus bekommen hat, und dieses Geld hat ihm nicht
gut getan. Ich warne Sie um Nicolas willen, das ist alles.«
Er leckte sich über die Lippen. »Es ist nur wegen Ihnen
überhaupt so weit gekommen! Sie und Ihr verdammtes
Schnüffeln!«
»Nein. Es ist so weit gekommen, weil irgendjemand Clarence Duke erwürgt hat. Das hat die Bullen auf den Plan gerufen.«
Ich wartete auf seine Reaktion. Ich weiß nicht, was ich
erwartet hatte. Vielleicht, dass er in einer übertriebenen
Geste zurücktaumeln würde wie ein Schauspieler in einem
alten Stummfilm? Die Augen verdrehen, meinen Blicken
ausweichen und sagen, dass er überhaupt nicht wüsste, wovon ich redete? Falls ja, dann wurde ich jedenfalls enttäuscht. Er war entweder ein verdammt zu guter Schauspieler, um sich etwas anmerken zu lassen, oder er hatte wirklich keine Ahnung, wovon zur Hölle ich redete.
Er starrte mich verwirrt an, dann keimte neuer Ärger in
ihm auf. »Wer zur Hölle ist Clarence – wie?«
»Duke«, sagte ich. »Clarence Duke, auch Rennie genannt.
Er war ein Privatdetektiv. Und jetzt ist er ein toter Privatdetektiv, und die Polizei sucht nach seinem Mörder. Seine
Ermordung brachte die Polizei auf den Plan, Mister. Nicht
ich, und auch nicht meine Mutter.«
»Privatdetektiv …«, murmelte er. »Flora hat gesagt, Sie
hätten ihr gegenüber so etwas erwähnt. Sie hätten erzählt,
Ihre Mutter hätte einen Privatdetektiv beauftragt, nach Ihnen zu suchen, aber nicht, um Nicola zu finden.« Er hob
den Kopf, und in seinen Augen stand nacktes Misstrauen.
»Er hat mich gefunden«, fuhr ich fort. »Und dann hat
jemand ihn gefunden.«
»Ich weiß nicht …« Er schüttelte den Kopf. Er sah verwirrt aus, und für einen Augenblick schien es ihm überhaupt
nicht gut zu gehen. »Das ist … niederschmetternd. Was soll
ich nur meiner Frau erzählen? Sie hat eine ausgesprochen
nervöse Disposition. Aber hören Sie, selbst wenn die Polizei
weiß, dass Ihre Mutter ein Baby hatte, kann sie es nicht zurückverfolgen. Nicht, wenn Ihre Mutter der Polizei nicht
sagt, wo sie suchen muss – oder Sie.«
Er wusste also nichts von Mrs Marks und ihrer Tochter
Linda, und ich würde es ihm bestimmt nicht erzählen. Es
war nicht nötig.
Ich zerstörte seine Hoffnungen mit meinen nächsten Worten. »Wetten Sie nicht darauf, Mr Wilde. Die Polizei ist verdammt hartnäckig, wenn es darum geht, Leute aufzuspüren.
Sie ist durchaus im Stande, sämtliche Geburten in jenem
Hospital zur fraglichen Zeit zu überprüfen. Inspector Morgan, die Leiterin der Ermittlungen, ist nicht auf den Kopf gefallen. Lassen Sie ihr Zeit, und sie kommt auf diese Idee.«
Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Die Geste erschien mir zu theatralisch, doch vielleicht waren es nur
meine Vorurteile gegen diesen Mann.
»Ich … ich weiß nicht, was ich denken soll«, murmelte
er.
»Schön, überlegen Sie Folgendes. Eine Menge Leute wissen von der zweiten Tochter meiner Mutter. Viel zu viele. Es
ist nur eine Frage der Zeit, bis die Polizei herausfindet, wer
sie ist. Also, was wollen Sie – was wollen wir deswegen unternehmen?«
Er starrte sekundenlang auf seinen langsam kalt werdenden Kaffee, dann schien er zu einer Entscheidung zu gelangen und wieder neuen Mut zu schöpfen. Er hob den Kopf,
und die vertraute selbstgerechte Aggressivität war wieder in
seinem Gesicht.
»Wir haben uns peinlich genau an unsere Abmachung
mit Ihrer Mutter gehalten. Sie ist es, die die Abmachung
bricht, nicht wir. Vielleicht war es ein Fehler, wie Sie offensichtlich meinen, überhaupt eine Abmachung zu treffen.
Auch wenn ich anderer Meinung bin. Es war lediglich technisch ein Fehler. Moralisch war es richtig. Können Sie sich
vorstellen, wie meine Frau und ich uns gefühlt haben, als
unser Baby starb? Wie wir uns gefühlt haben, als die Ärzte
sagten, Flora könnte kein weiteres Baby mehr bekommen?
Nein, das können Sie nicht. Natürlich nicht. Aber vielleicht
können Sie es für einen Moment versuchen. Wir waren am
Boden zerstört. Unsere Welt lag in Scherben. Flora wurde
fast verrückt vor Trauer. Sie konnte nicht glauben, was passiert war. Sie wollte es nicht akzeptieren. Sie redete über unser Baby, als wäre es – als wäre sie noch am Leben. An diesem Punkt,
Weitere Kostenlose Bücher