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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Hoffnung, sie würde aufblicken und ihn anlächeln.
    Stattdessen fragte sie: «Wo hast du letzte Nacht geschlafen?»
    «Nicht da, wo ich wollte.»
    Sara ging nicht darauf ein. Stattdessen konzentrierte sie sich mit zusammengepressten Lippen darauf, seine Hand zu verbinden. Mit den Zähnen riss sie einen Streifen Pflaster von der Rolle. «Du musst darauf achten, dass die Wunde sauber bleibt.»
    «Kann ich nicht später vorbeikommen und du machst das?»
    «Das hättest du wohl gern.» Sie öffnete und schloss ein paar Schubladen. Dann fand sie den Gummischlauch und eine Spritze. Einen Moment lang befiel ihn Panik bei der Vorstellung, sie würde ihm die Nadel in die Wunde jagen, doch dann fiel ihm ein, dass sie ihm Blut abnehmen wollte.
    Sie knöpfte seinen Ärmel auf und rollte ihn hoch. Er blickte zur Decke, um nicht hinsehen zu müssen, und wartete auf den Einstich. Nichts passierte – stattdessen hörte er, dass sie seufzte.
    «Was ist?», fragte er.
    Sie klopfte seinen Unterarm ab, um die Vene zu finden. «Es ist meine Schuld.»
    «Woran bist du schuld?»
    Sie zögerte, als müsste sie ihre Worte abwägen. «Als ich von Atlanta zurückkam, hatte ich gerade die Hälfte der Impfungen gegen Hepatitis A und B gemacht.» Sie band ihm den Schlauch um den Bizeps und zog ihn straff. «Es sind zwei Spritzen im Abstand von zwei Wochen, und fünf Monate später die Wiederholungsimpfung.» Sie hielt inne, während sie seine Haut mit Alkohol abtupfte. «Die erste und die zweite Spritze habe ich bekommen, aber als ich wieder nach Grant County gezogen bin, habe ich die dritte vergessen. Ich wusste ohnehin nicht, was aus meinem Leben werden sollte, geschweige denn, ob ich weiter als Ärztin arbeiten würde.» Sie schwieg. «Ich habe mich erst viel später wieder impfen lassen …»
    «Wann?»
    Mit den Zähnen zog sie die Kappe von der Kanüle. «Bei der Scheidung.»
    «Aber das ist doch gut», sagte Jeffrey und versuchte nicht von der Liege zu springen, als sie ihm die Nadel in die Vene stach. Auch wenn Sara behutsam war, Jeffrey hasste Spritzen. Allein bei dem Gedanken wurde ihm schlecht.
    «Das hier sind Kindernadeln», bemerkte sie weniger besorgt als sarkastisch. Dann fragte sie: «Was ist gut daran?»
    «Weil ich nur einmal mit ihr geschlafen habe», antwortete er. «Und am nächsten Tag hast du mich rausgeworfen.»
    «Genau.» Sara löste den Schlauch und zog den Kolben auf.
    «Also warst du immun, als wir wieder zusammengekommen sind.»
    «Du hast das eine Mal vergessen.»
    «Welches –» Dann fiel es ihm ein. In der Nacht bevor die Scheidung rechtskräftig wurde, war Sara vor seiner Haustür aufgetaucht, sturzbetrunken und ziemlich zugänglich. Jeffrey hatte sich so nach ihr gesehnt, dass er die Situation ausnutzte, mit dem Erfolg, dass sie sich am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang aus dem Haus schlich. Seine Anrufe am nächsten Taghatte sie nicht beantwortet, und als er abends bei ihr klingelte, hatte sie ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen.
    «Ich steckte mittendrin», sagte sie. «Die Wiederholungsimpfung hatte ich noch nicht bekommen.»
    «Aber die ersten beiden Spritzen schon?»
    «Es bleibt ein Risiko.» Sie zog die Kanüle aus seinem Arm und schloss die Kappe. «Und gegen Hepatitis C gibt es keine Schutzimpfung.» Sie drückte ihm einen Wattebausch in die Armbeuge und ließ ihn den Arm anwinkeln. Als sie ihm wieder in die Augen sah, wusste er, dass ihm ein Vortrag bevorstand.
    «Hepatitis kommt hauptsächlich in fünf Varianten vor. Einige davon haben verschiedene Unterarten», begann sie und warf die Kanüle in die rote Kiste für Risikoabfälle. «Hepatitis A ähnelt vom Verlauf her mehr oder weniger einer schweren Grippe. Es dauert ein paar Wochen, aber wenn man es einmal gehabt hat, entwickelt man Antikörper. Dann bekommt man es nicht wieder.»
    «Verstehe.» Das war das einzige Detail, an das er sich nach dem Besuch in Hares Praxis erinnerte. Der Rest war verschwommen. Als Saras Cousin ihm die Unterschiede und die Gefahren erläuterte, hatte er versucht zuzuhören – ehrlich –, doch das Einzige, woran er denken konnte, war, wie er so schnell wie möglich da rauskam. Nach einer schlaflosen Nacht hatte er sich mehrere Fragen zurechtgelegt, aber er brachte es nicht über sich, Hare anzurufen. Seitdem schwankte er zwischen Verdrängung und kalter Panik. Jeffrey konnte sich an jedes Detail von Fällen erinnern, die er vor fünfzehn Jahren bearbeitet hatte, aber an nichts von dem, was Hare ihm vor ein paar

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