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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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ihr Bein zu Hilfe nahm. Sie wog vermutlich keine vierzig Kilo, und Jeffrey fragte sich, wie sie das Kind überhaupt tragen konnte.
    Als sie seinen Blick bemerkte, erklärte sie: «Dr. Linton müsste gleich da sein.»
    «Danke», sagte Jeffrey und zog sein Jackett aus. Die Ostwand des Wartezimmers bestand aus Glasbausteinen, und selbst an kalten Wintertagen machte die Morgensonne aus dem Raum eine Sauna.
    «Heiß hier», sagte die Frau und ging weiter auf und ab.
    «Allerdings.»
    Jeffrey wartete, dass sie noch etwas sagte, aber sie hatte sich wieder ihrem weinenden Baby zugewandt und versuchte, es zu beruhigen. Es war Jeffrey ein Rätsel, wie Mütter mit kleinen Kindern es schafften, nicht direkt ins Koma zu fallen. In Momenten wie diesen konnte er beinahe verstehen, dass seine eigene Mutter immer einen Flachmann in der Handtasche hatte.
    Er lehnte sich an die Wand und betrachtete das Spielzeug, das ordentlich gestapelt in einer Ecke lag. An den Wänden hingen mindestens drei Schilder mit den Worten «MOBILTELEFONE VERBOTEN». Sara war der Meinung, wenn ein Kind so krank war, dass es zum Arzt musste, sollten die Eltern ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmen, anstatt in ein Telefon zu plärren.Jeffrey musste grinsen, als er an das erste und einzige Mal dachte, dass Sara ein Handy im Auto dabeigehabt hatte. Anscheinend hatte sie aus Versehen die Kurzwahltaste gedrückt und Jeffrey angerufen, der abnahm und sie minutenlang lauthals singen hörte. Er hatte allerdings erst beim dritten Anruf kapiert, dass sie es war, die sich an einem Duett mit Boy George versuchte, und nicht irgendein Wahnsinniger, der seine Katze quälte.
    Sara öffnete die Sprechzimmertür und ging zu der jungen Mutter. Sie hatte Jeffrey nicht bemerkt, und er beobachtete sie schweigend. Normalerweise trug sie ihr rotbraunes Haar bei der Arbeit in einem Pferdeschwanz, doch heute Morgen fiel es offen auf ihre Schultern. Sie trug ein weißes Hemd und einen schwarzen ausgestellten Rock, der ihr bis kurz unter die Knie reichte. Ihre Absätze waren nicht allzu hoch, brachten aber ihre Waden so reizend zur Geltung, dass er unwillkürlich lächeln musste. Jede andere Frau hätte in diesem Outfit wie die Kellnerin in einem Steakhouse ausgesehen, aber an Saras großer, schlanker Figur sah es einfach toll aus.
    Die Mutter schob das Baby auf den anderen Arm. «Er ist immer noch quengelig.»
    Sara legte dem Kleinen die Hand an die Wange und flüsterte ihm etwas zu. Wie durch Zauberhand beruhigte sich das Kind, und Jeffrey hatte auf einmal einen Kloß im Hals. Sara konnte so gut mit Kindern umgehen. Über die Tatsache, dass sie keine eigenen bekommen konnte, sprachen sie nicht oft. Manche Dinge waren einfach zu schmerzhaft.
    Jeffrey sah zu, wie Sara sich Zeit für den Kleinen nahm, ihm das flaumige Haar hinters Ohr strich, ein glückliches Lächeln auf ihren Lippen. Der Augenblick hatte etwas sehr Inniges, und Jeffrey räusperte sich verlegen. Er hatte das unbehagliche Gefühl, ein Eindringling zu sein.
    Überrascht, beinahe erschrocken drehte sich Sara zu ihm um. «Einen Moment noch», sagte sie und wandte sich wieder derMutter zu, der sie – jetzt ganz Ärztin – eine weiße Papiertüte reichte. «Diese Probepackungen sollten eine Woche reichen. Wenn es ihm bis Donnerstag nicht deutlich bessergeht, rufen Sie mich an.»
    Die Frau nahm die Tüte entgegen, das Baby drückte sie fest an sich. Sie sah selbst noch fast wie ein Kind aus. Jeffrey hatte erst vor kurzem erfahren, dass er selbst ein Kind gezeugt hatte, bevor er aufs College gegangen war. Als Kind konnte man den Jungen allerdings kaum noch bezeichnen – Jared war inzwischen fast erwachsen.
    «Danke, Dr. Linton», sagte die junge Mutter. «Ich weiß nicht, wie ich Ihnen …»
    «Hauptsache, er wird wieder gesund», wehrte Sara ab. «Und gönnen Sie sich selbst ein bisschen Schlaf. Es ist nicht gut für ihn, wenn Sie ständig übermüdet sind.»
    Die Mutter nahm die Ermahnung mit einem kaum merklichen Nicken auf, und obwohl er sie kaum kannte, wusste Jeffrey, dass Saras Rat auf taube Ohren traf.
    Auch Sara schien sich dessen bewusst zu sein. «Versuchen Sie es wenigstens, okay? Sie werden sonst auch noch krank.»
    Zögernd antwortete die Frau: «Ich werde es versuchen.»
    Sara sah auf ihre Hand, und Jeffrey hatte den Eindruck, sie bemerkte erst jetzt, dass sie das Füßchen des Babys festhielt. Sie streichelte ihm noch einmal mit dem Daumen über das Bein, dann schenkte sie ihm wieder dieses besondere

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