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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Das gelbe Haus in die Kunstgeschichte einging. Es hatte an der Place Lamartine gelegen und war im Krieg zerstört worden. Dieses Haus war schicksalhaft für den Maler, denn hier begann und endete seine Gemeinschaft mit dem Maler Paul Gauguin, den er tief verehrte – später bespitzelte und sogar mit dem Rasiermesser angriff. Jenem Messer, mit dem sich van Gogh anschließend das rechte Ohr abschnitt.
    Die Menschen in Arles hatten den rotblonden Holländer nie gemocht. Er war wortkarg und introvertiert, ein Exzentriker mit einem unaussprechlichen Namen, der niemals Geld hatte, sich betrank, in Bordelle ging und Leute provozierte. Ein Außenseiter, der wenig Freunde hatte, der immer misstrauisch beäugt wurde. Eine Petition der Bürger von Arles sorgte 1889 sogar dafür, dass van Gogh in die Irrenanstalt in Saint-Rémy übersiedelte.
    Camille Pissarro, ein berühmter Impressionist, schrieb über van Gogh, nachdem er dessen Bilder gesehen hatte: Dieser Mensch wird entweder verrückt, oder er lässt alle weit hinter sich.
    Er hat alle und alles hinter sich gelassen, dachte ich. Sein Leben war ein einziger Misserfolg und heute wurden mit seinen Bildern Millionen verdient. Er selbst hatte noch nicht mal genug Geld für Farbe gehabt, musste sich das Nötigste zusammenbetteln, war sein ganzes Leben lang abhängig von den Zuwendungen seines Bruders Theo.
    Vincent van Gogh war arm, genial und wahnsinnig gewesen, das erhöhte den Mythos des Malers und trieb die Preise für seine Bilder – schon kurz nach seinem Tod – in astronomische Höhen.
    Sein Malen war Kampf. Er malte wie im Rausch, manchmal schmierte er die Farben mit bloßen Fingern auf die Leinwand.
    Der Maler der Zukunft , so schrieb er, ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich in kleinen Kneipen herumtreibt, mehrere falsche Zähne im Mund hat und in Zuavenbordelle geht wie ich.

Ein Café am Abend, von außen gesehen. Auf der Terrasse sitzen kleine Figuren beim Trinken. Eine riesige, gelbe Laterne beleuchtet die Terrasse, die Vorderseite des Hauses, den Gehsteig und wirft ihr Licht sogar aufs Straßenpflaster, das eine rosaviolette Tönung annimmt. Die Häuserfassaden der Straße, die sich unter dem blauen Sternenhimmel hinziehen, sind dunkelblau oder violett, davor ein grüner Baum. Da hast du ein Nachtbild ohne Schwarz, nur mit schönem Blau und mit Violett und Grün, und in dieser Umgebung wird der beleuchtete Platz zu blassem Schwefelgelb und Zitronengrün.
    Ohne Schwarz
    Mühsam hatten die neuen Besitzer des Café de nuit versucht, das Ambiente von damals wieder aufleben zu lassen. Die Markise über den Tischen des Cafés war in jenem Safrangelb gehalten, das Vincents Bild so bewundernswert machte – nur, dass es bei ihm das Licht der Lampen in der Nacht war, die das Gelb leuchten ließen, und nicht eine mit chemischen Farben getünchte Plastikfolie.
    Ich setzte mich an einen der Tische. Es war kurz vor zwölf. Die Stimmung, die ich mir erhofft hatte, wollte sich nicht einstellen. Im Entrée des Etablissements grölte Werbung aus dem Fernseher, ein überlasteter Kellner stolperte über die Leine, mit der ein Touristenpaar seinen Yorkshire-Terrier diszipliniert hatte, ein paar Mopeds ratterten über den Platz. Sie machten Geräusche wie wütende Wespen.
    Dann sah ich ihn. Er kam von links aus einer Gasse, schritt auf mich zu, ohne mich zunächst zu sehen, erkannte mich, lächelte, hob die Hand zum Gruß. Eine perfekte Inszenierung in einem Liebesfilm der dreißiger Jahre. Held und Heldin treffen sich wieder. Eigentlich hätte ich jetzt aufstehen und ihm leichtfüßig entgegenfliegen müssen – in Slow-motion natürlich – und alle hätten ihren Spaß gehabt. Doch es war mein Schicksal, in romantischen Situationen gnadenlos zu versagen – ich blieb sitzen und wartete.
    So könnte Vincent ausgesehen haben, schoss es mir durch den Kopf, wenn es ihm seine Mitmenschen nicht so schwer gemacht hätten und er seine fünf Sinne beisammen gehalten hätte. Groß, kräftig, vital, die Haut hell und ein wenig verwittert, der Gang eher bäuerlich als elegant, der Blick offen, ohne Hinterhalt und Berechnung.
    Sollte ich mir noch mal die Nase pudern? Oder die Haare zurechtzupfen? Zu spät.
    »Schön, dich endlich zu sehen«, sagte Cortez.
    Er beugte sich zu mir herunter, gab mir einen brüderlichen Kuss auf die Wange und setzte sich.
    Ich guckte ihn an und mir fehlten die Worte. Er lächelte und ich war völlig entwaffnet.
    »Die leichte Bräune steht dir gut«, sagte

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