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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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weiter?«, nörgelte der Mann nach zehn Sekunden. Er war mit verwaschenen Bermudashorts bekleidet, auf seinem Kopf thronte ein rundlicher Debilen-Hut.
    »So ist das hier«, sagte er dann betont laut zu seiner Frau. »Die haben alle Zeit der Welt. Deshalb kommen die auch zu nichts.«
    Die Einheimischen verstanden zwar vermutlich nicht, was der Mann sagte, nahmen aber den gehässigen Ton wahr.
    »Toujours les boches« , murmelte ein alter Mann. Ein Hauch von Aggression verteilte sich über die süßen Leckereien.
    »Was sagt der Alte?«, dröhnte der Deutsche und nahm eine drohende Haltung an.
    »Dass Sie ein verdammter Prolet sind«, antwortete Thaler grob. »Und da hat er nur allzu Recht. Warum müssen wir Deutschen uns eigentlich im Ausland immer so daneben benehmen? Verstehen Sie das, gnädige Frau?«
    Der letzte Satz war an die Frau des ›Proleten‹ gerichtet. Sie bekam einen roten Kopf und zog ihren Mann aus dem Laden.
    Die Provençalen applaudierten spontan und wir bekamen unsere vier Törtchen umsonst.
    »Das machen wir jetzt jeden Tag«, entschied ich. »Das schont die Urlaubskasse.«
    Das Abendmahl wurde eine Meisterleistung. Thaler stellte sich bei den groben Küchenarbeiten recht geschickt an, entschlossen köpfte er die Wachteln, knipste ihnen die Krallen ab, wusch sie und füllte sie nach meinen Anweisungen mit viel Knoblauch, Olivenöl, Rosmarin und schwarzem Pfeffer. Dann warf er das Feuer auf dem Grill an. Das Ergebnis war perfekt – das Fleisch der Vögelchen hatte einen prächtigen Hauch von dem Steineichenholz, das kiloweise auf dem Plateau de Claparèdes verteilt war und nur darauf wartete, aufgehoben und abgefackelt zu werden.
    Als Vorspeise gab's die Artischocken mit einer leichten Vinaigrette, danach Salat, mit Schalotten und Knoblauch geschmorte, mit wenig Käse überbackene Tomaten, die Wachteln, einige Viertel der gekühlten Cavaillon-Melonen und die kostenlosen Törtchen. Natürlich Wein, Wasser, Brot und ein mittleres Pinnchen Calvados.
    Nur mühsam schleppten wir uns auf unsere Zimmer. Ich stellte für alle Fälle meinen Wecker und nahm wieder zwei Aspirin, um am Morgen nicht allzu geschafft auszusehen – denn immerhin hatte ich morgen einen wichtigen Termin: im Café de nuit , jenem Etablissement, das von van Gogh als Café an der Place du Forum im Jahre 1888 gemalt worden war – vor mehr als hundert Jahren.

Jetzt im Augenblick geht mir alles schief, wie es scheint, und so ist es mir schon ziemlich lange ergangen, und so kann es auch noch längere oder kürzere Zeit weitergehen; aber es ist auch möglich, dass alles gut geht, nachdem alles schief gegangen zu sein scheint.
    Nasenbrand
    Ich stand früh auf, duschte, nahm nur einen Kaffee und versuchte, mein Aussehen einigermaßen erträglich zu gestalten. Ich stank nach Knoblauch, meine Augen waren leicht gerötet, Sonnenbrand prangte auf der Nase – genau das angemessene Outfit für ein romantisches Wiedersehen mit meinem letzten Lover an einem geschichtsträchtigen Ort. Jetzt fehlten nur noch Herpes, Hexenschuss oder ein vereiterter Weisheitszahn. Ich würde mal wieder auf meine inneren Werte setzen müssen.
    Ich legte etwas mehr Make-up auf als sonst, doch es half nicht viel. Die sonnengestresste Nase leuchtete rosaviolett. Also wieder runter mit der Schmiere. Lieber ein bisschen Jogging, dachte ich, nichts wie rauf auf den Felsen von Saignon. Zeit genug hatte ich, die paar Kilometer nach Arles waren ein Klacks.
    Gerade hatte ich den Weg, der aufwärts führte, betreten, als mich ein Hund freudig begrüßte. Er war es, le petit chou-chou .
    »Ah bonjour, mon petit« , säuselte ich. »Tu vas me montrer ta mère?«
    Mit mère meinte ich nicht seine Mutter, sondern sein Frauchen, doch ich kannte das französische Wort für diese verwandtschaftliche Beziehung nicht.
    Chou-chou schien mich auch so zu verstehen – er galoppierte zügig vor mir her, ich hatte Mühe ihm zu folgen. Kurz vor dem Felsen – dort, wo keine Häuser mehr standen – verlor ich seine Spur. Verdammt, dachte ich, er muss in ein Haus gelaufen sein.
    Ich rief und lockte, doch nichts geschah. Der Fifi war wie vom Erdboden verschwunden. Irgendwann krieg ich dich, schwor ich.
    In gemäßigtem Tempo kehrte ich zum Haus zurück. Ich fühlte mich ein wenig besser. Jetzt noch eine Tasse Kaffee und ein Stück Baguette und ab nach Arles. Ich wollte mir vor dem Treffen noch ein paar Sehenswürdigkeiten anschauen.
    Am Steintisch saß Thaler. Er sah auch nicht besser aus als

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