Grappa dreht durch
Halbmast gesetzt.
Die Barfrau knipste die Kiste aus und goß unsere leeren Gläser wieder halbvoll.
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»Wie heißen Sie eigentlich?« nahm ich das Gespräch wieder auf.
»Ich nenne mich Yvette.« »Und wirklich?« »Gerda.«
»Wie lange machen Sie das hier schon?« »Lange.« Sie schaute mich bitter an. »Und warum?«
Das war die falsche Frage gewesen. Ihr Gesicht machte dicht.
»Sorry. Ich hätte nicht fragen sollen. Jeder lebt sein Leben. Wollen Sie was mit uns trinken?«
Sie schleppte ein viertes Glas heran. Ich goß ein. »Prost!« Sie nippte nur.
»Das ist Rita, und das ist Bertha!« Ich deutete auf die beiden. »Rita sucht ihre Tochter. Das Kind heißt Carola und soll sich hier rumtreiben. Sie ist sechzehn, sieht aber jünger aus. Hätten Sie eine Ahnung, wo sie vielleicht sein könnte?«
Yvette schüttelte den Kopf, noch bevor ich ausgeredet hatte. Die übliche Antwort auf neugierige Fragen.
»Bitte!« mischte sich Rita ein. »Überlegen Sie doch mal. Ich bin ihre Mutter. Sie ist seit zwei Tagen verschwunden. Haben Sie denn kein Herz? So abgebrüht können doch selbst Sie nicht sein!«
Obwohl Rita ihre Bitte fast flehend vorgetragen hatte, war der »Klassenunterschied« spürbar. Die Reaktion der Frau war entsprechend.
»Mein Herz geht Sie einen Dreck an!« schleuderte sie Rita entgegen. »Die Kleine wird schon ihre Gründe haben, wenn sie stiften gegangen ist!«
»Sie soll für Alfons Brokkoli anschaffen gehen!« erläuterte ich. »Den kennen Sie aber, oder?«
Auf die Bühne wurde ein Stuhl gebracht, über dessen Lehne eine Peitsche lag. Damit würde Marlene, die Domina, gleich ihre Spielchen treiben. Ich mußte mich sputen.
»Brokkoli hat sein Gemüse hier nicht laufen!« sagte Yvette.
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»Viel zu gefährlich. Die Bullen machen hier alle naselang ‚ne Razzia. Wenn die die Babys packen, ist Matthäus am Letzten!«
Das klang plausibel.
»Wo treibt sich der Bursche rum?«
»Überall und nirgends. Hat ‚ne Spitzenvilla im Grünen. Oben an der Burg. Ganz in der Nähe des Spielkasinos.« »Wo bekommt er seine Mädchen her?« »Meinen Sie die Babys?«
Ich nickte. Mit soviel Hilfe hatte ich nicht gerechnet. Doch Yvette war in Plauderstimmung - aus welchen Gründen auch immer.
»Ausreißerinnen. Junge Drogenabhängige. Er nimmt, was er kriegen kann, wenn es nur jung genug ist. Er kassiert die Kinder schon am Hauptbahnhof, wenn sie gerade frisch ausgerissen sind.«
»Und die Polizei? Die Eltern der Kinder?«
Yvette schaute mich an, als hätte ich ihr das Märchen vom Klapperstorch aufgetischt.
»Wo sollen die suchen? Die guten Mädchen werden privat vermittelt, die anderen lungern am Bahnhof oder am >Platz< herum.«
»Was passiert dann? Die Kinder müssen doch irgendwo wohnen?«
»Er hat einige Häuser mit Appartements.« »Wo sind die?«
»Über ganz Bierstadt verteilt. Doch die Mädchen ziehen dauernd um, so daß er nicht zu packen ist. Außerdem hat er seine Leute, die für ihn das Geschäft abwickeln. Die Babys kriegen ihn persönlich nur in Ausnahmefällen zu Gesicht.«
»Steht er im Telefonbuch?«
»Klar. Aber nicht unter Brokkoli. Das ist sowas wie ein Künstlername. Er heißt Alfons Lallensick.« »Danke! Da hätte ich lange suchen können.« »Wollen Sie ihn etwa besuchen?« »Kann sein.«
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»Dann seien Sie vorsichtig. Der kennt keinen Spaß. Die Villa ist mit Kameras bestückt, und überall lauern Gorillas rum.«
»Ich liebe Tiere! Warum helfen Sie mir eigentlich? Haben Sie ein Hühnchen mit ihm zu rupfen?«
Yvette guckte komisch. »Ich habe meine Gründe!« Mehr war aus ihr nicht herauszukriegen.
Musik, die geheimnisvoll klingen sollte, füllte den Raum. Mehrere Spots tauchten die Bühne in hartes Licht. Marlene, ganz in einen schwarzen Gummianzug gekleidet, trat hervor. Sie trug eine Maske mit enganliegender Kappe. Ihre drallen Brüste waren mit Lederriemen hochgeschnürt. Der Mund war grellrot geschminkt.
»Kommt, Mädels!« sagte ich. »Wir haben eine Menge erfahren. Wir können jetzt gehen!«
»Jetzt, wo es interessant wird?« protestierte Bertha. »Ich denke nicht daran. Ich habe sowas noch nie gesehen! Vielleicht kann ich noch was lernen.«
»Du bist eine geile alte Schachtel!« sagte ich.
Bertha grinste spitzbübisch. Und auch Rita schien inzwischen Interesse an der Show zu haben. Ich fügte mich der Mehrheit.
Die Nummer hatte die Erotik einer durchgeschwitzten Herrensocke.
Der erste Tag bei »Teleboss«
Die Firma »Teleboss« war unter der
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