Grappa dreht durch
Damen in schwarzer Reizwäsche saßen oder standen vor voluminösen Dekorationen, die sekundären Geschlechtsmerkmale voll im Licht der Kamera. Oben-ohne-Girls und Marlene, die Domina mit der Peitsche.
Niemand verwehrte uns den Eintritt. Schlechte, verbrauchte Luft, die nach Nikotin und Schweiß roch, schlug uns entgegen. Wir drückten uns den schmalen Gang entlang.
Die Chance, Carola hier zu finden, war vermutlich gleich Null, doch mir waren die Ideen ausgegangen.
Mein Arm schob den schweren Filzvorhang beiseite. Die Wände der Bar waren mit dunkelrotem Velours bezogen, goldene Leuchter mit falschen Kerzen versuchten, dem Raum einen billigen Glanz zu verleihen.
Einige Mädchen drückten sich gelangweilt in der endlos langen Bar herum, die den Namen »Chez Chérie« trug. Noch war hier nicht viel los.
»Kommt, wir setzen uns!« schlug ich vor. Bertha und Rita schlurften hinter mir in Richtung Theke. Wir erklommen die Barhocker. Die Tische im Raum waren noch nicht einmal zu ei-
67
nem Viertel besetzt. Drei bis fünf Kerle beäugten uns neugierig;.
Über einer Menge Flaschen, die mit den Hälsen nach unten hingen, gröhlte ein Fernseher. Das Bild zeigte die Video-Clips eines Musiksenders. Irgendein Hardrocker biß in sein Mikro und brüllte etwas von Ekstase und Gewalt. Die Musik paßte nicht zum Plüsch und Plunder der Inneneinrichtung.
Eine Bedienung näherte sich uns. »Darf‘s was sein?« muffelte sie.
»Wieviel kostet ein Fläschchen Sekt?« gab ich zurück.
»Für euch drei zusammen?« Sie beäugte uns mißtrauisch. Solche Vögel wie uns bekam sie wohl selten zu sehen.
Ich nickte und bestand darauf, eventuell eine komplette Flasche kaufen zu wollen.
»Eine Flasche Sekt kostet ‚nen Hunderter! Dafür gute Hausmarke.«
»Für meine Freundinnen ist mir nichts zu teuer«, säuselte ich, »also her mit dem Champus!«
Sie schlenderte davon. Nach ein paar Minuten stand der Sekt vor uns. Ich goß ein. Die Farbe war okay, und Kohlensäure war auch drin.
»Seid ihr drei Hübschen ganz solo?« Ein Typ hatte sich an uns herangepirscht. Sein Kopf ähnelte dem eines Haifischs, nur war er nicht so hübsch. Kleine Augen, ein breites Maul, das hungrig wirkte.
Ich nippte von meinem Sekt. Er war sogar kühl.
Der Typ wartete auf eine Antwort. Die bekam er von Bertha.
»Hör zu, Süßer!« sagte sie, und es klang gar nicht nett. »Wir sind ganz und gar nicht solo, wie du siehst. Oder kannst du nicht bis drei zählen? Verpiß dich, du Penner!«
Das breite Maul schnappte zu. Bertha ließ ihn nicht aus den Augen, bis er die Flucht ergriff. Die Frau hinter dem Tresen lachte. Ich winkte sie heran.
»Gibt‘s hier kein Programm?« wollte ich von ihr wissen. »Einen Hunderter für die Pulle Sekt und eine blöde Anmache -das ist alles, was bisher hier abgelaufen ist. Meine Freundin-
68
nen und ich wollen uns amüsieren! Also - wann kommt die Show?«
»In einer halben Stunde geht‘s los. Marlene macht sich gerade zurecht.« Sie betrachtete uns freundlicher als zuvor. Berthas Auftritt hatte wohl Eindruck auf sie gemacht.
»Marlene? Ist das die Domina, die draußen hängt?«
Sie nickte und schob sich eine ihrer Brüste zurecht.
»Stehst du auf sowas?« fragte sie.
»Ihr gefällt es immer, wenn Männer Prügel kriegen«, mischte sich Bertha ein.
Ich grinste. »Meine Großmutter übertreibt. Nicht alle Männer verdienen Prügel. Es gibt auch welche, die ohne Gewaltandrohung das tun, was man von ihnen verlangt. Weil sie einsehen, daß Frauen sowieso intelligenter sind und die besseren Entscheidungen treffen.«
»Ihr seid ja gut drauf!« meinte die Barfrau. »Marlene wird dem Marc mit der Peitsche klar machen, wer das Sagen hat. Dem Typ gefällt‘s wirklich, wenn er ein paar Striemen auf dem Körper hat, und ihr auch!«
»Dann konnten die beiden ihr Hobby ja zum Beruf machen«, rief ich begeistert aus. »Wer hat schon das Glück, Job und Passion miteinander in Einklang zu bringen?«
»Ich habe so etwas noch nie gesehen!« Endlich beteiligte sich Rita an dem Gespräch.
»Es wird schon nicht so schlimm werden«, beruhigte ich sie. »Du kannst ja weggucken, wenn deine sittlichen Gefühle verletzt werden.«
Die Barfrau wandte sich anderen Gästen zu. Im Fernseher über den Flaschen lief Werbung. Jeans, Kaffee, Damenbinden. Dann folgten die Börsenkurse. Der Dollar befand sich auf seinem bisherigen Tiefstand, Dax und Dow Jones waren um mehrere Punkte gefallen, und an der Tokioer Börse wurden die Flaggen auf
Weitere Kostenlose Bücher