Grappa dreht durch
Handelsregisternummer HRB 12098 beim Amtsgericht eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung und der Vertrieb von Industrie- und Werbefilmen und die Entwicklung und Ausführung von Konzepten für regionale Fernsehberichterstattung. Alleiniger Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer war Bernhard Immanuel Gustav Boss, das Stammkapital betrug die üblichen 50 000 Mark.
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Nichts Auffälliges also. Eine normale kleine Firma, die versuchte, sich auf dem Markt der elektronischen Medien ein Plätzchen zu erobern. Ab sofort würde ich dabei helfen.
Ich stieg in den High-Tech-Fahrstuhl des City-Centers, der in die Fünfte schwebte. Ein sanftes »Kling« sagte mir, daß ich mein Ziel erreicht hatte.
Teleboss - Femsehproduktion schrien mir grellrote Schilder entgegen. Der Flur war mit grauem Filz ausgelegt, der jeden meiner Schritte schluckte. Was für Leisetreter und für Leute, die sich anschleichen, dachte ich.
Ich drückte die Tür auf und stand vor einer Art Anrichte, hinter der eine Frau thronte. Sie lächelte antiseptisch-freundlich, als sie mich fragte, womit sie mir helfen könne.
»Ich bin die Neue!« sagte ich lapidar. »Mein Name ist Maria Grappa.«
Ihr Lächeln wurde neutral. Sie griff zum Hörer und flötete: »Herr Boss, Frau Grappa ist soeben eingetroffen. Ja, sofort!«
Sie hielt den Hörer länger als nötig in der Hand, um mich in Ruhe mustern zu können.
Ihre Augen glitten über mein rotes Haar, erfaßten das blaue T-Shirt und den schwarzen Baumwollrock. Als ihr Blick schließlich an den schwarzen Pumps angelangt war, trat ich mit dem Fuß auf.
Ihr Kopf sauste nach oben. Sie fühlte sich ertappt. Verlegenheit machte ihren Teint rosig.
Ich revanchierte mich. Sie war Ende dreißig, hellblond, klein und pummelig. Mit ihrem Farbempfinden hatte ich Probleme. Pink und helles Gelb dominierten die Bluse, der Rock war unverschämt violett, der Lidschatten türkis. Ihre Haut schien schlecht durchblutet zu sein. Kein Wunder, auf dem Tisch knubbelten sich zwanzig Kippen in einem Aschenbecher.
Das kann ja heiter werden, dachte ich, eine Brennstab-Fetischistin.
»Einen Moment noch. Herr Boss wird gleich kommen, Sie den Kollegen vorstellen und in Ihr Zimmer führen. Ich bin übrigens Rosemarie Ritzenbaum, die Redaktionssekretärin.«
73Sie stand auf, ging um den Tresen herum und steuerte auf mich zu. Ihr Ton war so süß, daß er einen Diabetiker hätte ins Koma fallen lassen. Wir schüttelten uns die Hände.
Rita hatte mir erzählt, daß Rosemarie Ritzenbaum gnadenlos jeden aus der Firma herausbiß, der ihr nicht paßte. Schlechte Karten hatten die, die sich standhaft weigerten, an den von ihr angeordneten sozialhygienischen Übungen teilzunehmen. Da gab es Badminton-Turniere, gemeinsame Kinobesuche, feudale Abendessen und einiges mehr.
Rosi fühlte sich als »gute Seele« der Firma Teleboss, die sich um alles kümmerte und deshalb über jeden Bescheid wußte. Spielten die Mitarbeiter mit, war alles easy. Entzogen sie sich, erklärte Rosemarie Ritzenbaum ihnen den Krieg.
Ihre besondere Spezialität waren Kekse, die dick mit Erdnüssen bedeckt waren. Auf jedem freien Platz war ein Schäl-chen mit den Dingern postiert.
Neben diesen gebackenen »Verlockungen« machte sie noch andere leibliche Angebote. Angeblich wußte eine erkleckliche Anzahl von Herren in Bierstadt nicht nur die Vorzüge ihrer trockenen Erdnußkekse zu schätzen.
Rita hatte mir viel über diese Dame erzählt. Ich würde rauskriegen müssen, welches ihrer Hobbys mit dem Tod von Masul zu tun hatte.
Ich nahm mir auf jeden Fall vor, Frau Ritzenbaum nicht zu unterschätzen. Sie schaute mich an, als würde sie sich ähnliche Gedanken über unser beider Zukunft machen.
Eine Tür öffnete sich, und vor uns stand BIG Boss. »Meine Liebe!« dröhnte er und griff nach meiner Hand. »Wie schön, daß Sie da sind. Rosi haben Sie ja schon kennengelernt, nehme ich an? - Gut! Leider ist der Großteil unserer Crew gerade beschäftigt. Sie werden nach und nach alle kennenlernen. Den Überblick über unser technisches Personal habe ich selbst nicht. Für Kamera, Bildregie, Schnitt und Tonbearbeitung mieten wir Fachleute tageweise an, so daß es schwer ist, jeden zu kennen. Beschränken wir uns also auf die Kernredaktion. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer!«
74Er griff meinen Ellenbogen und schob mich auf den Flur zurück.
Wir gingen nicht weit. Neben der Tür war ein Schild angebracht: John Masul stand da. Sonst
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