Grappa dreht durch
Schnitt seines Gesichtes.
»Da bist du ja, Elvis«, tönte BIG Boss‘ Stimme hinter mir, »das ist unsere neue Redakteurin, Frau Maria Grappa. Du kommst gerade recht zu ihrem Einstand.«
Zu mir gewandt meinte er: »Das ist Elvis Wüsten, unser Kameramann. Macht die glänzendsten Bilder, die ich je gesehen habe!«
77»Angenehm!« lächelte ich.
»Willkommen!« meinte Elvis und drückte meine Hand. »Haben Sie schon mal fürs Fernsehen gearbeitet?«
Seine Stimme haute mich um. Sie klang, als habe ihm jemand die Mandeln mit Stacheldraht herausgenommen. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
»Ich war jahrelang Redakteurin bei einer Zeitung, habe Radio und gelegentlich einen Film gemacht«, gab ich brav zur Antwort.
»Nun untertreiben Sie mal nicht«, polterte BIG Boss jovial. »Frau Grappa hat als Journalistin den besten Ruf. Wenn du gute Bilder machst und sie gute Texte, dann kann da überhaupt nichts schiefgehen!«
»Sie werden mir sicherlich anfangs helfen müssen, Herr Wüsten!« gurrte ich. »Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben!«
»Dann ist es ja gut!« krächzte er. Es klang wie bei einer Krähe.
»Sind Sie erkältet, Herr Wüsten?« fragte ich scheinheilig. »Ihre Stimme hört sich ja fürchterlich an!«
Seine Augen wurden Stahlkugeln.
BIG Boss brach in Lachen aus. »Da haben Sie jetzt aber einen großen Fehler gemacht, Frau Grappa!« prustete er los. »Die Stimme ist Elvis‘ schwacher Punkt! Da heißt er wie ein Sänger, sieht aus wie ein Filmstar und krächzt wie eine Elster! Ha, ha ... Deshalb steht er ja hinter der Kamera und nicht davor.«
Elvis Wüsten betrachtete den Heiterkeitsausbruch seines Chefs mit wutverzerrtem Gesicht. Ich war wie vom Donner gerührt. Der leutselige BIG Boss war ein Weltmeister im Austeilen und schien viel Spaß daran zu haben, andere zu verletzen! Ich bekam eine vage Idee über das Betriebsklima.
»Tut mir leid!« behauptete ich zerknirscht. Elvis Wüsten sagte nichts mehr und verließ den Raum. Sein Gang war gleichmäßig und federnd.
»Kommt er wieder?« fragte ich.
BIG Boss strahlte über seine Hamsterbäckchen und knibbelte sich vor Freude an seinem Doppelkinn.
78»Er wird sich schon wieder beruhigen! Elvis ist manchmal ein bißchen empfindlich«, erklärte er, »und verdammt eitel!«
»So ein schöner Mann und eine solche Stimme! Wirklich ungerecht!«
BIG Boss lachte schadenfroh. »Man kann nicht alles im Leben haben!«
Rosi Ritzenbaum hatte dem Auftritt schweigend gelauscht. Ihre Miene war neutral geblieben. Sie stand in der Nähe des Fensters und knabberte einen Erdnußkeks.
»Ich glaube, wir sollten schon mal eine Flasche Sekt öffnen!« schlug ich vor. »Mein Einstieg ist ja leider schon ein bißchen getrübt worden. Soll ich Herrn Wüsten bitten, wieder hierher zu kommen?«
»Nein, das macht unsere Rosi«, sagte BIG Boss und grinste in ihre Richtung, »sie versteht sich auf Wunden jeglicher Art! Hauptsache, sie kann hegen und pflegen und Gutes tun. Oder das, was sie dafür hält. Immer mit Körper und Seele im Einsatz. Vor allen Dingen mit dem Körper! Nicht wahr, Mutter Rosi?«
Rosi Ritzenbaums Miene gefror. Doch dann gehorchte sie und lief hinter dem Kameramann her. Dieser BIG Boss ist ein Ekel, dachte ich. Ich sehnte mich schon jetzt nach dem »Bierstädter Tageblatt« zurück. Hoffentlich komme ich mit meinen Recherchen schnell voran, flehte ich innerlich.
Ich erhob mein Glas und prostete Boss zu.
»Vielen Dank, daß Sie mir die Stelle gegeben haben«, sagte ich mit Dankbarkeit in Stimme und Blick, »ich hoffe, Ihre Ansprüche zu erfüllen.«
Er kam näher. Ich spürte seinen dumpfen Atem. »Da habe ich überhaupt keine Sorge! Sie gehören zu den Frauen, die sich behaupten können.«
»Dann ist ja alles paletti!« sagte ich forsch. »Aber sagen Sie, Herr Boss! Mein Vorgänger, dieser John Masul, was war er eigentlich für ein Mensch?«
Es erfreute ihn nicht gerade, daß ich schon wieder mit dem Thema anfing.
»Ein guter Kollege, ein netter Mann!« flüsterte Rosi Ritzen-
79baum, die sich wieder herangepirscht hatte. Ihr war es tatsächlich gelungen, den eingeschnappten Krächzer zu besänftigen, denn Elvis Wüsten stand unbefangen hinter mir und lauschte der Unterhaltung.
»Sein Ende war schrecklich für uns alle!« Rosi Ritzenbaum hatte Tränen in den Augen, während Boss und Wüsten unberührt schienen.
»Weiß man, warum er sich umgebracht hat?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr Kinn vibrierte. Hastig fingerte sie eine
Weitere Kostenlose Bücher