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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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Zigarette aus der Schachtel. Niemand der Herren gab ihr Feuer.
    »Und Sie, Herr Wüsten?« sprach ich ihn an. »Was haben Sie von Ihrem Kollegen gehalten?«
    Er hatte seine Jacke abgelegt und stand in einem blauen Leinenhemd im Raum. Die langen Ärmel hatte er hochgekrempelt, seine Unterarme waren wohlgeformt, kräftig und von bläulichen Adern durchzogen.
    »Ich kam gut mit ihm aus. Er beherrschte seinen Job!« krächzte er.
    »Das stimmt. Aber er war ein schwacher Mensch«, stellte BIG Boss fest, »wurde mit dem Leben nicht fertig. Probleme mit der Familie. Die Tochter hängt in der Drogenszene herum. Ich habe sogar gehört, daß sie auf den Strich geht. Überlegen Sie mal! Das Mädchen ist höchstens sechzehn!«
    »Wie schrecklich. Haben Sie auch Kinder? Das, was Sie sagen, klingt so mitfühlend?« fragte ich. Er bemerkte die Ironie in meiner Stimme nicht.
    »Drei Ehen und keine Kinder!« kam es zurück. »Drei Ehen zuviel, wenn Sie mich fragen, Frau Grappa! Und jetzt will ich mit den Schnittchen anfangen. Ich habe einen Bärenhunger!«
    Er griff sich ein Lachsbrötchen und versenkte es in seiner Mundhöhle. Die anderen machten es ihm nach.
    »Guten Appetit!« wünschte ich.
    Heimlich schaute ich auf die Uhr. Gleich müßte Rita Masul hier auftauchen. Schade, daß die Redaktion noch nicht kom-
    80plett war. Rudi Mühlen war mit der Volontärin Bettina Blasius noch immer auf einem Termin.
    Der Sekt war trocken und brachte meinen Kreislauf in Schwung. Während wir tranken und aßen, klingelte es. Rosi Ritzenbaum hechtete zur Tür. Das muß Rita sein, dachte ich.
    Doch es war nicht Rita, sondern ein junger Mann. Er kam mir bekannt vor. Er drückte der Sekretärin einen Packen Papiere in die Hand. Dann fiel sein Blick auf mich. Blitzartig fiel mir ein, wo ich ihn schon gesehen hatte.
    »Sie sind doch die Frau, die ich neulich unterm Dach getroffen habe!« erinnerte er sich.
    »Ach ja!« meinte ich fröhlich. »Sie sind der junge Mann von diesem Print-Service! Ich habe Ihnen noch geholfen, einen großen Karton in den Lift zu tragen, erinnern Sie sich?«
    Ich wartete seine Antwort nicht ab, sondern plapperte weiter. »Die Welt ist doch so klein! Und jetzt arbeite ich hier, heute ist mein erster Tag. Herr Boss hat mich als Reporterin engagiert. Und wie geht es Ihnen? Läuft das Geschäft?«
    Überwältigt durch meinen Redefluß nickte er nur und verabschiedete sich. Ich spürte die Schweißperlen auf meiner Stirn. Der Sekt rann meine Kehle herunter.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie das Haus hier kennen«, wunderte sich BIG Boss, »warum waren Sie hier? Und dann noch in der achtzehnten Etage?«
    »Als ich Ihre Zusage für die Stelle hatte, bin ich mal hier gewesen. Einfach so. Ich war gerade in der Nähe. Außerdem muß man dieses Haus mal gesehen haben. Bierstadts höchstes Gebäude, vollgestopft mit Kunstwerken. Ein Banause, wen das nicht interessiert!«
    BIG Boss nickte. Er hatte die Sache gefressen. Mein Puls 3chlug wieder normal. Elvis Wüsten war meinem Redefluß kauend gefolgt. Ich blickte zu ihm hin.
    »Und was wollten Sie unterm Dach?« mischte sich Wüsten ein. Er lauerte auf eine Antwort.
    »Natürlich die Aussicht genießen!« behauptete ich. »An die-
    81sem Tag war die Luft so klar, daß ich bis ins Sauerland gucken konnte.«
    Wüsten spuckte einen Olivenkern in den Blumentopf, der auf der Fensterbank vor sich hin trocknete. Er sah aus wie ein menschenfressender Hai in Designer-Klamotten. Glatt, elegant und gefährlich. Mich fröstelte. Doch Haie können nur beißen, wenn man nah genug ans Wasser herangeht oder die Brücken nicht halten, tröstete ich mich. Doch woher sollte ich wissen, welche Brücken zusammenbrechen und welche mich tragen würden?
    Rita taucht auf und wieder ab
    Rita rückte an, als wir alle schon einen kleinen Schwips hatten. Sie war ganz Dame, als sie im Vorraum auftauchte und auf BIG Boss zusteuerte.
    »Ich möchte die Sachen meines Mannes abholen!« lautete ihre Forderung. Während BIG Boss unbefangen auf ihr Erscheinen reagierte, wurde Rosi Ritzenbaum kreidebleich. Auch Elvis Wüsten schien sich nicht wohl zu fühlen.
    »Mein herzliches Beileid!« wünschte ich Rita. »Kommen Sie, die Sachen Ihres Mannes stehen noch in seinem Büro.«
    Ich warf BIG Boss einen freundlichen Blick zu und schob Rita in mein Zimmer. Die Tür fiel ins Schloß.
    »Warum ist die Ritzenbaum so komisch?« wollte ich wissen.
    Rita sah mich an, in ihrem Blick war Eiseskälte. Dann sagte sie: »Ich habe dir doch

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