Grappa dreht durch
ich mich ja richtig freuen!«
Sie lachte hysterisch. Niemand beachtete sie. Carola ließ sich nicht beeindrucken.
»Gedreht wurde in einem Appartement, das Brokkoli gehört. Ein Kameramann war da, noch ein Mann und ein weiteres Mädchen. Wollust im Kleingarten - so hieß der Film. Na ja, erst mußten wir Mädchen so tun, als würden wir den Garten umgraben. Wir hatten Gartenschürzen und Gummistiefel an, und Brokkoli drückte uns einen Spaten in die Hand, mit dem wir in der Erde rumfummeln sollten, die er in dem Appartement aufgehäuft hatte. Eine verdammte Schweinerei war das, denn wir mußten den Dreck anschließend in Plastiktüten packen und wieder wegschaffen. Unter den Schürzen waren wir nackt. Das läuft in diesen Filmen immer so. Dann kam der Kerl und hat uns von hinten ... na ja, ihr wißt schon.«
»Tolle Dramaturgie!« bewertete ich. »Und weiter? Daß der Film den Grimme-Preis nicht bekommen hat, können wir uns vorstellen. Aber so schlimm, daß sich dein Vater deshalb vom Dach des City-Centers siebzig Meter in die Tiefe stürzt, ist er vermutlich auch wieder nicht. Was ist noch passiert?«
»Der Kameramann war aus Vaters Firma. Das hat er mir hinterher erzählt. Dann wollte er mit mir bumsen. Ich wollte aber nicht. Er hat gedroht, Papa den Film zu zeigen.«
»Und? Hat er es getan?«
»Ich glaube schon. Denn eine Woche später war Papa tot.«
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Sie begann zu weinen und schmiegte sich an Bertha. Die alte Frau wartete darauf, sie trösten zu dürfen. Rita beobachtete die beiden argwöhnisch.
»Sah der Kameramann gut aus, hatte er eine krächzende Stimme?«
»Ja. Er heißt Elvis Wüsten.«
»Dieses Dreckstück!« entfuhr es mir. »Aber ich glaube nicht, daß sich dein Vater deshalb umgebracht hat! Du brauchst dich nicht schuldig zu fühlen. Dein Vater hatte ganz andere Sorgen. Natürlich wird er sich über den Film nicht gerade gefreut haben, aber als Grund für einen Selbstmord taugt er nicht.«
Carolas Tränen versiegten. »Meinen Sie wirklich?« kam es schüchtern.
»Ich meine es nicht nur, sondern ich bin sicher! Dein Vater hat sich nicht aus diesem Grund das Leben genommen.«
Jetzt mischte sich Rita Masul ein. »Steht es für dich inzwischen wirklich fest, daß John nicht ermordet worden ist?«
»Ich bin sicher. Es gibt da etwas, was du noch nicht weißt. John war unheilbar krank. Krebs. Ein Operation lehnten die Ärzte ab. Er hatte nur noch wenige Wochen zu leben, und die wären die Hölle für ihn gewesen. Er wußte das und wollte sich wahnsinnige Schmerzen ersparen.«
»John war krank? Warum hat er mir nichts gesagt? Mein Gott!« stammelte Rita. »Ich habe ihn für einen Schwächling gehalten, als er über Schmerzen im Unterleib klagte!«
»Du hast nichts geahnt?«
»Nein, natürlich nicht. Aber er hatte panische Angst vor schweren Krankheiten und langem Siechtum.«
Sie begann still zu weinen. Carola setzte sich neben ihre Mutter und legte den Arm um sie.
Ich dachte plötzlich an meinen Traum. Masul hatte mich aufgefordert, seinen Mörder zu suchen und gesagt, daß er zwar selbst gesprungen sei, daß ihn aber jemand in den Tod getrieben habe.
Ich erzählte von meinem Traum. Mir fiel auch die Schale mit den lila Hyazinthen wieder ein, die mir geschickt worden wa-
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ren - zu einem Zeitpunkt, als ich noch im Zweifel war, ob ich mich um den Fall überhaupt kümmern sollte.
»Das war ich!« meldete sich Bertha kleinlaut.
Ich verstand nicht gleich. »Was warst du?«
»Ich habe dir die Blumen geschickt. Du hast mir von dem Traum erzählt. Und davon, daß deine alte Schulfreundin Rita dich um Hilfe gebeten hat. Du wolltest damals den Fall nicht übernehmen. Da habe ich eben ein bißchen nachgeholfen!«
»Dann habe ich dir also alles zu verdanken? Die Schlägerei, den Streß in der Redaktion, den ganzen Schlamassel, in den ich reingeraten bin? Warum hast du das getan?«
»Ich dachte, daß der Fall sehr interessant ist und daß wir beide ihn lösen würden.«
»Ich höre wohl nicht recht?« fauchte ich. »Wir beide? Wer hat denn den ganzen Ärger gekriegt? Du oder ich?«
»Du. Aber ich habe Carola kennengelernt. Du kannst gerne böse auf mich sein, doch ich würde es wieder so machen!«
Die tapfere kleine Frau guckte mich aufmüpfig an. Sie blickte auf das blonde Mädchen an ihrer Seite wie eine Hundemutter, die stolz ihren ersten Wurf beäugt.
Ich dachte plötzlich an das Rasierwasser, das ich Mike Zech versprochen hatte. Etwas Ledrig-Pudriges würde zu ihm passen.
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