Grappa und die keusche Braut
streng nach ökologischen Richtlinien erbaut, alle verwendeten Baustoffe sind frei von Giften und Chemikalien. Wir haben uns bei dem Konzept für unser Hotel von Feng-Shui leiten lassen. Die Zimmer heißen Erde, Wasser, Sonne und Himmel. In jedem Zimmer befindet sich eine kleine CD-Sammlung mit esoterischer Bambusflötenmusik. – Von rohem Fisch steht da aber nichts.«
»Du hast Feng-Shui mit Sushi verwechselt«, mischte sich Simon Harras ein, der Sportkollege. »Aber macht nichts, ist beides Oberquatsch. Meine Tante war mal auf so einem Seminar. Kollektives Weinen, orgiastische Atemübungen für die Lockerung des Unterbauchs und Nacktmeditation am Kamin. Geh da bloß nicht hin, Grappa. Du bist schon komisch genug.«
»Keine Sorge! Es geht nicht um mich. Die Wurbel will dahin und Jansen hat ihr den Kurs nicht als Bildungsurlaub genehmigt. Deshalb das Theater eben«, klärte ich ihn auf.
»Gut so. Die Wurbel hat jeden Morgen Panikattacken. Hat sie mir selbst erzählt.« Harras strich sich über den mächtigen Bauch, über dem sich ein selbst gestrickter Pullover in wilden Farben spannte.
»Sie sollte einfach mal ihren Spiegel verhängen«, grinste ich. »So als vorläufige Maßnahme.«
»Grappa! Du bist ein echtes Biest! Du lässt auch keinen Gag aus, wenn es um die Wurbel geht.« Seine Empörung war allerdings nur gespielt.
Ich wollte das Video finden. Immerhin verfügte ich ja jetzt über mehr Informationen als in der Nacht – ich kannte den Namen des Täters.
Zuerst aber las ich die Online-Zeitungen der Konkurrenz und war zufrieden: Niemand wusste mehr als ich. Alle hatten sie den vollen Namen der verletzten Lehrerin gebracht, aber niemand war bis zu ihr vorgedrungen.
Ich loggte mich erneut bei Youtube ein. Tippte: Patrick Sello. Antwort: Keine Videos zu Patrick Sello gefunden. Ich machte mit Sello Amok weiter. Antwort: Keine Videos zu Sello Amok gefunden.
Ich versuchte weitere Wortkombinationen. Ich fand zwar einiges zu Patrick, zu Sello und jede Menge zum Thema Amoklauf, aber nichts passte.
Ob die Kripo bei ihrer Recherche weitergekommen war? Sollte ich Kleist anrufen? Nein, dachte ich, ich schaffe das allein. Aber wie?
Mein Telefon klingelte. Es war Jansen. Er bat mich in sein Büro.
»Sag mal, Grappa«, begann er, als ich mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch gesetzt hatte. »Behandle ich die Wurbel wirklich schlechter als dich?«
»Na jaaa«, dehnte ich, um Zeit zu gewinnen. »Wir zwei haben halt einen besseren Draht zueinander. Aber so ist das im Leben. Man kann nicht alle Menschen mögen.«
Jansen hüstelte. Die Auseinandersetzung mit Wurbelchen saß ihm offenbar in den Knochen. »Ich bin euer Vorgesetzter und bemühe mich, alle gleich fair zu behandeln. Schade, dass mir das nicht zu gelingen scheint.«
»Ach, komm!« Ich lächelte ihn aufmunternd an. »Das Leben ist kein Ponyhof.«
»Blöder Spruch, Grappa! Wieso sollte das Leben auf einem Ponyhof erstrebenswert sein?«
»Keine Ahnung«, räumte ich ein. »Irgendeiner erfindet einen Spruch und alle plappern ihn nach – ohne groß nachzudenken. Aber um auf deine Einstiegsfrage zurückzukommen: Du behandelst die Wurbel nicht schlecht, nur leicht distanziert. Das merkt sie natürlich. Ihr solltet vielleicht mal zusammen einen trinken gehen.«
»Gott bewahre!«, rief er. »Dann will sie womöglich noch mit mir kuscheln.«
»Bestimmt nicht. Lass ihr doch einfach das Seminar. Oder bringst du das nicht?«
»Ich überlege es mir, Grappa-Baby«, antwortete er. »Wenn sie allerdings den Betriebsrat einschaltet, kann sie mich mal.«
»Warte es ab. Ich geh jetzt schreiben. Ich brauche noch zwanzig Zeilen zusätzlich. Für eine Meldung über Anneliese Schmitz. Sie ist überfallen worden.«
In meinem Zimmer fiel mein Blick aufs Handy. Ich hatte eine SMS empfangen. Absender: Friedemann Kleist. Bitte um Anruf. Aber gerne!
Er meldete sich und fragte sofort: »Woher kennst du den Namen des Täters?« Sein Ton war nicht besonders freundlich.
»Informantenschutz«, entgegnete ich.
»Maria! Komm mir nicht so!«
»Ich mache meine Arbeit und du deine. Eine freie Presse als vierte Gewalt im Staat, Kontrollorgan der Mächtigen.«
»Bla, bla.«
»Woher weißt du das eigentlich?«
»Von Ritter. Angeblich hat Herr Sello dich angerufen. Ich muss dir ja nicht sagen, dass das eine Lüge ist! Der Mann saß fast die ganze Nacht in meinem Büro. Völlig verzweifelt darüber, was sein Sohn gemacht haben soll.«
»Ich
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