Grappa und die keusche Braut
zeigte auf eine Espressomaschine. Mit wenigen Griffen nahm sie eine Tüte Kaffeebohnen aus dem Schrank sowie zwei Sammeltassen mit unterschiedlichem Design, Löffel und Milch. Dann verschwand sie und kurz darauf plätscherte eine Dusche.
Ich versuchte, die Espressomaschine in Gang zu setzen. Bis Lara Lindenthal wieder erschien, das Haar zu einem riesigen Pferdeschwanz gebunden, war es mir immerhin gelungen, den Einschaltknopf und das Fach für die Bohnen zu identifizieren.
Die Pädagogin trug eine elegante schmale Hose, schwarz, und einen knallroten Pullover, der ihre Formen gut zur Geltung brachte. Bald hatte sie zwei Kaffeetassen gefüllt und saß mir gegenüber.
»Hätten Sie etwas da, was man auf die Brötchen legen kann?«, fragte ich.
Sie ging zu einem Minikühlschrank und nahm eine angebrochene Packung Gummikäse und ein Stück Leberwurst heraus. Ihre Bewegungen waren vorsichtig, vermutlich behinderte sie ihre Verletzung. Der Verband an ihrer Schulter zeichnete sich unter dem Pullover ab.
»Ich frühstücke ja meist mit den Kindern zusammen«, begründete sie den kargen Inhalt ihres Kühlers. »Da brauch ich nicht mehr.«
»Das reicht schon«, meinte ich. »Hauptsache Kaffee.«
Plötzlich nieste sie.
»Gesundheit.«
Sie nieste erneut, und dann noch vier Mal.
Ich kam mit den Gesundheitswünschen gar nicht hinterher.
»Besitzen Sie eine Katze?«, fragte sie mich.
»Schon jahrelang nicht mehr«, war meine Auskunft. »Warum?«
»Ich habe eine Katzenallergie«, schniefte die Lehrerin. »Aber es ist gleich vorbei.« Sie atmete tief durch.
»Ich verstehe nicht, wieso Sie Patrick verteidigen und Lerchenmüller verleumden«, ging sie dann in die Offensive. »Ganz davon abgesehen, dass Sie mich ins schlechteste Licht setzen.«
»Wir berichten über Ereignisse so, wie sie sich abspielen, das ist unsere Aufgabe«, rechtfertigte ich mich. »Die Rede von Caroline von Fuchs auf der Trauerfeier konnten wir nicht einfach übergehen. Patrick habe ich keineswegs verteidigt. Ich habe Ihre Liaison zu ihm nur angedeutet und auch bei der Schilderung des Films, der auf der Toilette entstanden ist, bin ich bei Weitem nicht so deutlich geworden, wie ich es gedurft hätte.«
»Trotzdem wusste jeder, zu was die Jungen mich gezwungen haben.«
»Ja. Aber das stimmt doch auch. Oder – war das etwa nur eine gespielte Theaterszene wie das angebliche Bekennervideo?«
Sie schwieg.
»Können wir uns einigen?«, insistierte ich. »Wollen Sie mir ein Interview geben? Dann nehme ich alles auf und gebe es wortwörtlich wieder. Oder soll unser Zusammensein ein Gespräch bleiben, das ich dann darstelle, wie ich es erlebe?«
»Kein Interview. Sie können froh sein, dass ich überhaupt mit Ihnen spreche. Für Sie zählen doch nur Sensation und Auflage«, entgegnete sie.
Ich biss in das Brötchen. Die Leberwurst war kalorienreduziert und schmeckte auch so. Mir fiel etwas ein.
»Moment, Frau Lindenthal. Das wissen Sie besser. Schüler haben mir von Ihrem Unterricht erzählt.«
»Ja und?«
»Sie haben mit Ihren Schülern die Kriminalberichterstattung in den Medien analysiert und dabei auch meine Artikel berücksichtigt. Erinnern Sie sich?«
»Stimmt«, nickte die Lindenthal, »Sie haben da gar nicht schlecht abgeschnitten.«
»Es ist vielleicht schwer, aber können Sie nicht versuchen, dem Ergebnis Ihres eigenen Unterrichts zu vertrauen?«, fragte ich leise.
Übertreib es nicht mit dem Gesülze, mahnte mich eine innere Stimme.
»Caro erzählte mir, dass Patrick ziemlich sauer auf Sie war«, kam ich aufs Thema zurück. »Weil Sie ihn in den Noten haben abrutschen lassen.«
»Lüge!« Sie zupfte ihren Pferdeschwanz in Form. »Er tanzte mir auf der Nase herum, ja. Glaubte, sich alles erlauben zu können, weil …« Sie stoppte.
»… Sie beide eine Affäre hatten«, komplettierte ich ihren Satz.
»Ich will Ihnen mal einen Schultag schildern. Eine ganz normale Unterrichtsstunde in der elften Klasse.« Lindenthals Stimme bekam eine kratzige Note. »Ich betrete den Klassenraum. Begrüße die Schülerinnen und Schüler. Sie antworten, aber schon jetzt kichern einige. Ich klappe die Tafel auf und lese: Blasehase. Gegröle. Ich ringe um Fassung. Bemühe mich, mit dem Unterrichtsstoff zu beginnen. Während der Stunde kleinere Sticheleien oder Gesten. Die Jungen grinsen, die Mädchen schürzen die Lippen. Können Sie sich vorstellen, wie ich mich gefühlt habe?«
»Die Mädchen haben
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