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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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    »Und was sollte das Inquisitionsspiel gerade?«

    »Ich wollte nur wissen, ob du noch in der Lage bist, dir die Wahrheit einzugestehen«, entgegnete Peter. »Lerchenmüller hat deine Eitelkeit verletzt und dafür rächst du dich. Es geht um Macht und nicht um die Rettung der Kinder vor einem schrägen Pädagogen. Aber offiziell gelten natürlich die hehren Journalismusgründe: Informationspflicht gegenüber der Bevölkerung, kritische Hinterfragung gesellschaftlicher Phänomene und unbedingte Solidarität mit den Schwachen unserer Gesellschaft – in diesem Fall den Schülern.«

    »Bin ich ein schlechter Mensch?«, fragte ich.

    »Klar«, nickte mein Chef. »Aber das macht nichts – solange du das noch auf dem Schirm hast.«

     
    Jansen hatte mir mit seinem Grundkurs in journalistischer Ethik zu denken gegeben. Missbrauchte ich die Macht, die mir mein Arbeitsvertrag verlieh? Was würde geschehen, wenn Lerchenmüller sich etwas antun würde? Wäre ich dann schuldig?

Ein Kommissar muss auch mal schlafen

    Eine Flasche Wein hatte meine Gewissensbisse abgeschwächt und mir eine halbwegs ruhige Nacht beschert. Ich stand spät auf und nahm mir vor, ein entspanntes Wochenende zu genießen. Doch als ich mein Handy einschaltete, begann es sofort zu piepen. Es waren einige Nachrichten eingegangen.

    Caro, Kleist und Brinkhoff hatten mir auf die Mailbox gesprochen.

     

    Caro:
    Super Artikel. Jetzt hat Lerche ein Riesenproblem. Er ist mit der Zeitung durch den Speisesaal gedüst, der Vollpfosten. Wenn Blicke wirklich töten könnten, läg ich in meinem Blut. Bitte melde dich.

     

    Kleist:
    Liebe Maria! Ich habe Angst um dich. Dein Artikel! Sag Bescheid, wenn ich einen Beamten vor deinem Haus postieren soll, ja? Den Polizeischutz könnte ich heute Abend für einige Stunden aber auch selbst übernehmen. Schick mir eine SMS, wenn es dir NICHT passt.

     

    Brinkhoff:
    Lerchenmüller tobt. Er hat ein Flugblatt mit einer Stellungnahme ausgehängt. Die Schüler stehen davor und kichern. Heute Morgen war der Vater des toten Patrick Sello da und hat das Zimmer seines Sohnes ausgeräumt. Dabei ist er dem Lerchenmüller an die Gurgel gegangen. Grappa, was hast du nur angerichtet mit diesem Artikel? Ich melde mich später.

     
    Wunderbar. Alles lief nach Plan. Ich ließ Wasser in die Wanne, schüttete ein Badesalz hinein, das schon ägyptische Mumien wieder frisch gemacht hatte, und stieg hinein. Schön, für zwanzig Minuten von der realen Welt abgeschottet zu sein. Die Wärme und der Duft machten mich leicht benommen.

    Richard Sello hatte die Sachen seines Sohnes abgeholt. Und es hatte Streit gegeben. Warum?

    Ich suchte die Handynummer von Sello heraus und rief ihn an.
    »Ich habe gehört, dass Sie Streit mit Dr. Lerchenmüller hatten. Um was ging es?«

    Sello lachte bitter. »Er nannte Patrick einen Soziopathen. Ein Soziopath ist ein Mensch, der weder Liebe noch Mitleid noch Trauer oder Freude empfinden kann. So war Patrick aber nicht. Er konnte sich freuen und traurig sein.«

    »Sicher konnte er das«, sagte ich lahm. Ich dachte an den bösen Film. »Sie wissen aber bestimmt auch, dass sich Soziopathen gut verstellen können. Sie schauen sich Gefühlsregungen bei ihren Mitmenschen ab und spielen sie nach, imitieren sie. Denken Sie an das Video mit dem Geständnis. Es war so überzeugend, dass alle drauf reingefallen sind.«

    »Ich habe meinen Sohn wohl wirklich nicht so gekannt, wie ein Vater seinen Sohn kennen sollte«, räumte Sello ein. »Wie geht es eigentlich dem Mädchen, das auf der Trauerfeier diesen Skandal provoziert hat?«

    »Caro ist wieder im Schloss«, erklärte ich. »Lerchenmüller will sie aus der Schule entfernen, weil sie sich weigert, die Beschuldigungen gegen die Lindenthal zurückzunehmen. Er hat die Stiftung informiert. Ich hoffe, dass mein Artikel heute dazu führt, dass Lerchenmüller selbst Probleme bekommt.«

    »Da mache ich gern mit«, meinte Sello. »Ich kenne den Stiftungsratsvorsitzenden. Werde ihn anrufen. Mal sehen, was er von einem Schulleiter hält, der sich nachts in einem Schülerchat herumtreibt. – Ich habe eine Bitte. Ich möchte den Film, über den Sie geschrieben haben, mit eigenen Augen sehen. Können Sie das vermitteln?«

    »Besser als das. Ich habe ihn hier. Sie müssten sich freilich herbemühen. Ich habe heute frei.«

    »Die Adresse?«

    Ich gab sie ihm. Das war’s dann wohl mit einem entspannten Tag.

     
    Nachmittags Sello, abends Kleist. Zwei

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