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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Unterricht nehmen. Das ist Vorschrift auf Schloss Waldenstein. Aber wenigstens Frau Lindenthal gelang es, einen Notruf abzusetzen.«

    Aha. Lindenthal. Die Kollegen horchten auf. Endlich war ein Name gefallen, ein Ende zum Anpacken.

    »Notruf?«, fragte ich. »An den Direktor? Warum nicht an die Polizei?«

    Kleist ergriff erneut das Wort. »Es gibt in jeder Schule Notfallpläne für den Fall einer Bedrohung. Darin ist auch geregelt, was im Fall einer Geiselnahme zu tun ist. Seit Erfurt sind alle Bildungseinrichtungen für dieses Thema sensibilisiert. Ein wichtiger Punkt ist, dass die Kinder, die noch außerhalb der Gefahrenzone sind, so schnell wie möglich das Schulgebäude verlassen. Deshalb hat jede Schule ein Codewort, das die anderen warnen soll. Frau Lindenthal konnte dieses Wort per SMS an das Handy des Direktors schicken. Herr Lerchenmüller hat dann sofort über die Lautsprecheranlage eine Durchsage gemacht und dabei dieses vereinbarte Wort benutzt. So konnten die anderen Lehrer die Schülerinnen und Schüler unverzüglich nach draußen führen.«
    »Wie lautete dieses Codewort?«, fragte jemand aus der Runde.

    Kleist zögerte, doch dann sagte er: »Keusche Braut!«

    Erstauntes Raunen.
    »Shakespeare ist zurzeit ein großes Thema in dem Internat. Demnächst startet der Shakespeare-Monat, so hat mir der Direktor des Internates die Wahl des Codes erklärt«, fügte der Hauptkommissar hinzu.
    »Und wo kommen bei Shakespeare die Worte Keusche Braut vor?«, fragte ich.

    »Ich kenne dessen Werke auch nicht mehr en détail«, räumte Kleist ein. »Aber ich habe natürlich nachgeschlagen. In dem Gedicht Einer Liebenden Klage heißt es: ›Ich fesselte des Himmels keusche Braut, wohl hatte sie gefastet, sich kasteit, doch unterlag sie, da sie mich geschaut; Gelübd’ und Weihen waren bald entweiht! O mächt’ge Liebe, Schwur, Gelübd’ und Eid, ohnmächtig sind sie gegen dich und klein, denn du bist Alles, und die Welt ist dein!‹«

    »Wow! Das ist bestimmt das erste Gedicht, das hier in diesem Raum aufgesagt worden ist«, flüsterte Pöppelbaum.

    »Er hat es eben drauf.«

    »Nun himmle den Kerl nicht so an«, konterte er.
    Ich versetzte ihm einen Knuff mit dem Ellenbogen.

    »Was können Sie uns über den Geiselnehmer sagen?«, fragte ein Kollege. »Was könnte sein Motiv sein?«

    »Das wissen wir noch nicht.«

    »Was sagen seine Eltern dazu?«

    »Die Angehörigen des mutmaßlichen Täters sind informiert«, ergriff Oberstaatsanwalt Abel Ritter das Wort. »Sie waren im Ausland und sind inzwischen auf dem Weg nach Bierstadt.«

    »In welchem Krankenhaus wird die überlebende Lehrerin behandelt?«, ließ der BILD-Reporter nicht locker.
    »Keine Auskunft dazu!«, wehrte Ritter ab.

    »Der Kollege hat bestimmt einen Arztkittel in seiner Tasche«, raunte ich Wayne zu.
    »Mit welcher Waffe wurde geschossen?«

    »Sind alle Angehörigen der Opfer informiert?«

    »Ist die Tat im Internet angekündigt worden?«

    Frage um Frage prasselte auf die Ermittler nieder. Aber fast keine konnte eindeutig beantwortet werden. Kleist machte einen zunehmend genervten Eindruck und, wie um das zu unterstreichen, schaute er auf seine Armbanduhr. Sein Verständnis für Journalisten und ihre Arbeit war trotz unserer näheren Bekanntschaft gering. Ich hatte noch viel Arbeit vor mir.

     
    »Wir müssen an die Lehrerin ran«, meinte Pöppelbaum, als wir im Aufzug nach unten schwebten. »Sie ist die Einzige, die erzählen kann, was da oben passiert ist.«

    »Sag bloß! Glaubst du wirklich, dass die Bullen die Frau unbewacht lassen? Außerdem ist die Arme verletzt und nicht vernehmungsfähig. Hast du doch eben gehört.«

    Wir waren im Foyer angekommen. Hier fand gerade eine Ausstellung statt – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizeikreisbehörde stellten Selbstgemaltes aus. Stillleben mit Obst, Blumenvase und Weinflasche, lasziv verrenkte Pin-up-Girls in grellen Farben vor südlichen Landschaften, wuschelige Kätzchen und stramme Deutsche Schäferhunde.

    »Komm, schnell weg hier«, stöhnte ich.
    »Moment, vielleicht hängt hier ja auch was, was dein Schatz gepinselt hat«, grinste Pöppelbaum.
    »Wohl kaum.«

    »Ich wusste es!«, rief er im nächsten Moment. »Da hängt doch ein Brustbild von dir, Grappa!«

    Er deutete auf eine vollbusige Rothaarige mit Schlauchbootlippen in weißer Bluse und Schnürleibchen.

    »Wenn er das Bild gemalt haben sollte, dann hat er Wahnvorstellungen«, lachte ich. »Und jetzt ab zu Frau

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