Grappa Und Die Seelenfaenger
wird kurz und leer. / Du wirst meine Liebe sein / denn nur Freundschaft ist mir zu schwer …
»So ein schwachsinniger Text«, meinte ich. »Und der singt wie eine rostige Nähmaschine! Brett macht den gleich alle.«
»Aber er lächelt so selig«, wunderte sich Pöppelbaum. »Guck mal!«
Tatsächlich. Der Pop-Titan schien vom Gesang des Kandidaten angetan.
»Du singst das besser als Xaver Nadann.« Brett hielt den Recall-Zettel hoch. »Du hast ein Ja. Auch von den anderen, oder?«
Er schaute seine beiden Mitjuroren an. Elizabetha Lazeira und Danny Forehead wirkten wie vom Donner gerührt, widersprachen aber nicht.
Dennis aus Karlsruhe grapschte nach dem Zettel, der ihn eine Runde weiterbrachte, und verschwand jubelnd aus dem Raum.
Im Pressezentrum wurde es unruhig.
»Ich brech zusammen. Brett hat Kreide gefressen.«
»Oder er erlaubt sich einen Superspaß«, warf Wayne ein. »Das Publikum jedenfalls weiß noch nicht, was es davon halten soll.«
Pfiffe und Applaus hielten sich die Waage.
Brett sprang von seinem Jurysessel auf. »Jeder Mensch hat eine unsterbliche Seele, die sich nach Befreiung sehnt«, rief er. »Befreit eure Seelen und ihr werdet glücklich sein!«
Das Bild auf dem Monitor wackelte und fiel ins Schwarze. Neue Werbeeinblendung. Versicherung mit Herz, Supersanfte Tampons, Kalktabletten für die Waschmaschine und Saugwunder, die Küchenrolle, die alles schluckt.
Die Show ging weiter. Die nächste Sängerin war dunkelhäutig und ging bauchfrei.
»Ich heiße Samira und sing einen Song von Whitney Houston. One moment in time. «
»Das ist ein sehr schwieriges Lied«, stellte Pitt Brett fest. »Aber du kannst das bestimmt gut. Dann fang mal an, Kleine.«
Itsch dei Ei lif / Ei wonnt tu bi, / e day tu giff / se best off mi, / Eim only wan / bat not älon, / mei feinest dey / iss jet announ, / Ei brok mei hart / for evry gain, / tu täst se swiet / Ei faist se peyn, / Ei reis änt foll / jet sru it oll, / sis matsch rimäins, / Ei wont wan moment in teim …
Wayne griff sich an den Kopf. »Ich glaub, die Maus hat größere Probleme als das Singen. Und bewegen kann sie sich auch nicht. Was machen wir eigentlich hier, Grappa-Baby?«
»Das frag ich mich auch«, seufzte ich.
Die Jury hatte das Wort. Diesmal hatte Elizabetha Lazeira die erste Beurteilung abzugeben.
»Das war nicht gut. Du kannst nicht singen und nicht performen. Dein Englisch ist grauenhaft. Von mir hast du ein klares Nein.«
Danny Forehead schloss sich an. »Das war nichts. Such dir lieber einen anderen Beruf. Eine Sängerin wirst du nie. Von mir auch ein Nein.«
Die Kameras schwenkten zu Brett. Der hatte den Kopf in die Hände gestützt.
»Ich liebe diesen Song«, säuselte der Pop-Titan. »Und ich habe ihn niemals besser gehört. Whitney Houston ist eine alte, drogensüchtige Krähe gegen dich. Für mich bist du weiter.«
Er reichte der Kandidatin den Recall-Zettel.
Rumms. Schwarzbild. Lauftext: Bild- und Tonstörung – Unsere Techniker arbeiten fieberhaft an der Behebung des Problems.
»Na, also«, meinte ich zufrieden. »Da haben wir ja unseren Skandal. Der Pop-Titan ist weich gespült. Möchte wirklich wissen, wer hinter diesem Coup steckt.«
Im Pressezentrum steppte der Bär. Die Kollegen stürzten nach draußen, um ihre Berichte abzusetzen.
Jessica von Neuenfels kam angelaufen. »Die Sendung wird abgebrochen. Herr Brett ist auf dem Weg ins Krankenhaus.«
»Freiwillig?«, fragte ich.
»Natürlich. Er hat eingesehen, dass er nicht ganz bei sich ist. Und Hilfe braucht.«
»Ich fand es sehr erfrischend«, grinste ich. »Herr Brett hat seine weiblich-sanfte Seite gezeigt. Sehr mutig von ihm.«
»Das werden unsere Werbepartner anders sehen«, schnappte Jessica von Neuenfels. »Die E-Mails gehen im Sekundentakt ein.«
Brett bohrt dünne Bohlen
Am Sonntag überschlugen sich die Schlagzeilen: Pop-Titan erleuchtet? Pitt Brett auf dem Schmusetrip, und: Gehirnwäsche brutal: Brett bohrt dünne Bohlen – waren noch die harmlosesten Überschriften in den Boulevardblättern.
Ein Online-Medienmagazin prophezeite der Show den Einbruch der Einschaltquoten. Der alte Wolf hat seine Zähne verloren – die Kunden laufen davon – so die Überschrift.
Im Durchschnitt erreichen die Castings rund sechs Millionen Zuschauer, was zu einem hervorragenden Marktanteil von etwa zwanzig Prozent führt. In der neuen Staffel liegen die Reichweiten nur noch bei viereinhalb Millionen Zuschauern – einer Quote, von der
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