Grappa Und Die Seelenfaenger
Garten«, murmelte er. »Ich bin im geheimen Garten. Es ist dunkel und feucht, riecht nach Moder und Tränen. Das einzige Geräusch, das ich höre, ist mein Atem. Wie lange bin ich schon hier? Was erwartet mich? Wird mich jemand finden?«
»Herr Brett!«, rief ich. »Geht es Ihnen gut?«
»Lassen Sie mich«, flüsterte er.
»Soll ich einen Arzt holen?«, fragte ich.
»Nein, nein. Ich bin wohl noch nicht ganz fit. Hatte grad einen Flash.«
»Können Sie denn die Show morgen Abend überhaupt durchstehen?«
»Na, sicher!«, grinste er. »Das zieh ich durch. Und wenn es das Letzte ist, was ich in diesem Leben tue. Die Leute warten auf mich.«
Jessica brachte uns nach draußen.
»Ein bisschen wirr redet er ja doch«, stellte ich fest. »Aber er fängt sich bestimmt wieder.«
»Er hat einen Hypnotiseur bestellt«, verriet die Pressefrau. »Der ist auf dem Weg hierher. Brett will wissen, was diese Leute mit ihm gemacht haben.«
»Darf ich das schreiben?«
»Meinetwegen. Aber bitte ohne meinen Namen zu nennen.«
Ich hatte mein Exklusivinterview mit dem Pop-Titanen. Pöppelbaum hatte aus dem Hintergrund fotografiert, trotz des spärlichen Lichts ohne Blitz. Entstanden waren weiche Aufnahmen, die Pitt Brett ganz anders zeigten, als man es gewohnt war: nachdenklich, in sich gekehrt und ein bisschen verletzlich.
Ich begann mit dem Artikel, der in der morgigen Ausgabe erscheinen sollte:
NACH DER ENTFÜHRUNG FRAGT POP-TITAN: WAS GESCHAH IM GEHEIMEN GARTEN? Heute Abend tritt Pitt Brett wieder vor ein Millionen-Fernsehpublikum, um jungen Leuten die Chance zu geben, eine Karriere als Sänger zu starten, oder zu verderben. Er wird wie immer sein: deutlich, klar und ehrlich. Er wird feststellen, wer singen kann und wer nicht. Tränen werden fließen, Träume werden zerplatzen und viele werden zornig auf ihn sein.
Seit acht Jahren schon gestaltet Pitt Brett die Castingshow maßgeblich mit. Er hat sie zu einer der beliebtesten Sendungen im deutschen Fernsehen gemacht. Vor knapp einer Woche wurde der Pop-Titan von unbekannten Männern verschleppt, unter Drogen gesetzt und drei Tage später wieder freigelassen. Diese drei Tage fehlen in Bretts Erinnerung. Er glaubt, in einem Garten gewesen zu sein. Einem Garten, der etwas mit der Sekte zu tun hat, die sich Kirche der Erleuchteten nennt. Pitt Brett hat beschlossen, sich einer Hypnose zu unterziehen – um endlich die Wahrheit zu erfahren.
Auch Männer können mit Damenpistolen schießen
Ich schwebte zwischen zwei Fällen. Entführung Brett und Mord an Fuchs. Eine Ahnung sagte mir, dass beide Taten miteinander verbunden waren.
Aber wie?
Wenn Brett der Sekte angeblich Geld schuldete und die Anwälte das schon geregelt hatten, warum dann noch eine Entführung? Eine Entführung, bei der es einen Bekennerbrief, aber keine Forderung gegeben hatte und bei der das Opfer wohlbehalten wieder aufgetaucht war. Eine Geldforderung hätte zu der Kirche der Erleuchteten gepasst, wenn diese mit der anwaltlichen Regelung nicht zufrieden war.
Der Mord an Robert Fuchs zeugte von Kaltblütigkeit und großer krimineller Energie. Und Motive gab es jede Menge.
Ich rief Kleist an. »Gibt es schon Ergebnisse der ballistischen Untersuchung?«
»Hallo, Maria. Ja, warte mal. Ich hole mir eben den Bericht der Kriminaltechnik. Bleibt das unter uns, zumindest so lange, bis es im Pressebericht erscheint?«
»Du kannst dich darauf verlassen.«
Es dauerte nur eine halbe Minute und er war wieder da. »Bei der Tatwaffe handelt es sich um eine kleine Beretta 92F mit Schalldämpfer. Eine Damenpistole.«
»Also ist der Täter eine Frau?«
»Das muss nicht zwangsläufig sein. Auch Männer können Damenpistolen abfeuern. Man kann diese Waffe aufgrund ihrer geringen Größe gut in einer Handtasche unterbringen – deshalb der Name.«
»Deutet das nicht auf Fuchs’ Ehefrau, die Frau Stickel?«
»Die hat ein Alibi. Sie war beim Friseur. Ganz profan. Welche Fragen darf ich dir sonst noch beantworten?«
»Klara Liefers.«
»Nicht schon wieder, Maria«, seufzte Kleist. »Das Thema ist doch durch, dachte ich.«
»Nicht, was du meinst. Klara hat für Annabell Stickel bei Mystic Food gejobbt. Als Kellnerin während des Castings. Sie war die Frau in dem karierten Rock – von wegen, sie hat ihre Söhne besucht!«
»Ja, du hast recht, sie hat mich von Anfang an belogen. Und … ich erinnere mich. Klara hat mir von einem Job erzählt, den ihr eine Schulfreundin vermittelt habe. Aber ich wusste
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