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Grappa Und Die Seelenfaenger

Titel: Grappa Und Die Seelenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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die Entführung. Drei Männer mit Masken und das Ganze während des Castings. Man hätte Brett ja auch abends im Hotel abfangen können oder beim Shoppen in der Stadt oder sonst wo. Nein, es passiert genau dort, wo die größte Aufmerksamkeit sichergestellt ist, wo Kameras laufen und Hunderte Menschen alles mitbekommen.«
    »Es wird immer interessanter«, ermunterte ich Kleist, weiterzumachen.
    »Ich lasse mich also entführen und alle sorgen sich um mich. Die Medien – auch die konkurrierenden und die internationalen Sender – kommen an dem Thema nicht vorbei. Ich bleibe kurze Zeit verschwunden. Die Sekte schreibt einen Bekennerbrief, der so dilettantisch ist, dass sogar die begriffsstutzige Polizei ihn nicht für echt halten kann.«
    Ich setzte die Geschichte fort. »Dann tauche ich wieder auf, bin ziemlich verwirrt und kann mich an nichts erinnern. Wie praktisch!«
    »Kurz vor meinem Auftauchen werfe ich noch eine Ecstasypille ein, damit die Ärzte etwas finden«, übernahm Kleist wieder. »Und ich will sofort mit der Sendung weitermachen – und zwar live.«
    »Ja, das war komisch«, überlegte ich. »Warum hat sich Brett nicht erst mal eine Erholungspause gegönnt?«
    »Das hat mich nicht stutzig gemacht«, entgegnete Kleist. »Denn Brett ist ein Vollprofi. Ich fing erst an, an seiner Version zu zweifeln, als er darauf bestand, dass das Casting live ausgestrahlt würde.«
    »Er war auf eine bombastische Einschaltquote scharf!«, meinte ich.
    »Das auch – aber nicht nur«, erklärte Kleist. »Brett hatte an dem Abend Kreide gefressen und gab sich ganz anders als sonst. Deshalb wollte er die Live-Ausstrahlung.«
    Ich nickte: »Alle sind sauer, dass er den lieben Papa spielt. Kunden drohen dem Sender mit Werbeentzug. Sogar die Medien, die ihn wegen seiner Grobheit immer beschimpft haben, wollen den alten Stänkerer Pitt Brett zurück. Wenn das Casting aufgezeichnet worden wäre, hätte der Sender die Folge niemals gezeigt.«
    Kleist nickte. »Und ich bin immer noch Brett. Der Sender bricht die Show ab. Genau das habe ich beabsichtigt. Ich verziehe mich in eine Klinik, dann nach Hause. Und alle rennen mir die Tür ein, dass ich weitermachen soll. Man bietet mir einen besseren Vertrag mit sehr viel mehr Geld und mehr Macht. Genau das habe ich beabsichtigt. Keine Rede mehr davon, dass ich die Siegertitel nicht mehr produzieren darf.«
    »Dann hat Brett seine Macht über die Show extrem erweitert!«
    »So ist es«, bejahte er.
    »Und wie willst du das alles beweisen?«
    »Gute Frage, Maria. Ich weiß nicht, ob ich sie jemals beantworten kann.«
    »Dein Szenario hat aber einen Denkfehler, lieber Hauptkommissar.«
    »Ach?«, runzelte er die Stirn. »Und wo steckt der?«
    »Die Sendung wurde doch abgebrochen, weil die grobe Bohle namens Brett sich in ein Schmusekaninchen verwandelt hat. Warum sollte der Sender dem sanften Plüsch-Pitt bessere Konditionen bieten?«
    Kleist dachte eine Weile nach.
    Dann brummte er: »Du hast recht, Maria. Die Zuschauerzahlen sind zwar enorm gewesen, aber nur wegen der Entführung. Wenn der Brett nicht zu seiner Grobheit zurückfindet, geht der Plan nicht auf. Dann zerstört sich die Sendung selbst.«
    »Darum wird es sehr interessant sein, die weitere Entwicklung der Sendung zu verfolgen. Nicht nur für uns, sondern auch für die Medien und damit das große Publikum.«
    »Der Effekt von Entführung und Weichspülung wird sich eine Weile halten. Selbst ich werde mir diese blöde Sendung reinziehen. Irgendwie klappt Bretts Plan, wenn es denn so sein sollte, wie wir spekulieren«, seufzte Kleist. »Der Titan sollte seine Konditionen ganz schnell neu verhandeln. Er hat jetzt Oberwasser. Kann ich noch eine Tasse von diesem schrecklich gesunden Kräutertee bekommen?«

Hysterische Mutter und bunte Pullover
    Am nächsten Morgen nach der Redaktionskonferenz rief ich die Justizbehörde in Düsseldorf an. Ich erfuhr, dass es mehrere Familiengerichte gab. Beim dritten Anlauf fand ich die Richterin, welche die Billerbecks geschieden hatte.
    »Die Scheidung war nicht das Problem, sondern der Sorgerechtsstreit«, erzählte sie überraschend offen.
    »Sie haben die Kinder dem Vater zugesprochen?«, fragte ich.
    »Ja, das Gericht ist den Gutachten gefolgt. Wir entscheiden immer im Interesse der Kinder.«
    »Hatte das Ganze mit der Kirche der Erleuchteten zu tun?«
    »O ja, und wie, darum ging es ja. Frau Billerbeck war aus der Religionsgemeinschaft ausgetreten. Darum ließ sich ihr Mann ja scheiden.

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