Grappa und die Toten vom See
nicht, denn sie war in die Blöd-Zeitung vertieft und knabberte an einem Brötchen. Ich wollte ihrer Weiterbildung nicht im Weg stehen und lief einfach an ihr vorbei. Die Tür zum Chefbüro stand offen.
Schnack war nicht allein. Bärchen Biber, sein Lieblingsredakteur, saß vor dem Schreibtisch und nippte an einem Kaffee.
»Guten Morgen, die Herren«, strahlte ich. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
»Nicht mehr als sonst«, grinste der Kronprinz.
Ich zeigte ihm beim Lächeln kurz die Zähne.
»Was führt Sie zu mir, Frau Grappa?«, fragte Schnack. »Gleich ist doch sowieso Redaktionskonferenz.«
Ich gab ihm eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse.
»Wir sollten die offiziellen Ergebnisse abwarten. Das ist doch bisher eine ganz dünne Suppe«, stellte Schnack fest.
»Der Meinung bin ich nicht. Als Polizeireporterin unseres Blattes würde ich gern nach Norditalien reisen. Eine emotionale Nah-dran-Reportage kommt viel besser als ein nüchterner Faktenbericht. Und es ist doch einfach eine Riesengeschichte: eine vierköpfige Familie aus Bierstadt einfach so niedergemetzelt!«
»Genau, Grappa«, stimmte mir Bärchen zu. »Und das Wetter in Italien ist gerade sehr gut. Blaues Wasser, Palmen, Vino und dolce far niente. «
»Ans Nichtstun hatte ich eigentlich nicht gedacht, du kleiner Schleimer«, gab ich ihm eins drüber.
»Ich muss doch sehr bitten«, blaffte Schnack. »Und damit meine ich alle beide.«
Bärchen zog einen Flunsch.
»Wie stellen Sie sich die Nah-dran-Reportage denn genau vor?«, fragte der Chef. »Glauben Sie wirklich, dass die Polizei Sie nah dran lässt?«
»Zuerst einmal werde ich das Umfeld der Toten hier in Bierstadt untersuchen«, erklärte ich. »Die Mahlers wohnten im Süden der Stadt.«
»Mahler?« Schnack war aufmerksam geworden. »Norbert Mahler?«
»Ja. Kennen Sie den Mann etwa?«
»Und seine Frau heißt Elise?«
»Stimmt.«
Schnack wischte sich die Stirn. Er war bleich geworden. Bärchen Biber und ich schauten uns an.
»Norbert Mahler ist seit Jahren mein Steuerberater«, gestand Schnack. »Und ich bin sogar Melanies Patenonkel. Das ist ja eine grauenhafte Nachricht. Sie bekommen Ihre Dienstreise, Frau Grappa!«
»Mit Sex kannst du Schnack nicht bestochen haben. Wie hast du es also geschafft?«, fragte Wayne zwei Stunden später, als wir in der Kantine beim Kaffee saßen.
»Meine legendäre Überzeugungskraft«, behauptete ich. »Und jetzt erzähl mir, was du von den Nachbarn der Mahlers erfahren hast.«
»Nicht viel.«
»Was heißt das?«
»Natürlich sind die Bullen schon vor mir da gewesen«, erzählte der Bluthund. »Die Nachbarn schildern die Mahlers als unauffällige, angenehme Menschen. Aber das sind in diesem Viertel alle. Gepflegte Villengegend mit Flair. Chefärzte, Unternehmer, leitende Angestellte, Manager und Lokalpolitiker. Mahler war Steuerberater. Ihm gehörte eine Steuerberatungsgesellschaft.«
»Ich weiß. Schnack ist einer seiner Mandanten.«
»Schnack?« Jetzt begriff Wayne. »Deshalb hat er die Dienstreise genehmigt!«
Ich lächelte schief. »Hast du was über den Israeli erfahren? Wie stand er zu den Mahlers?«
»David C. war seit einer Woche zu Besuch. Mit der Tochter war er jedoch wohl nicht liiert. Er war eher ein Verwandter oder Bekannter.«
»Und was wollten die Mahlers in Italien?«
»Urlaub machen, was sonst«, antwortete Wayne. »Im sonnigen Süden. Sie hatten in Stresa ein Hotel gebucht, direkt am See. Ich hab sogar den Namen. Der Tatort liegt nur ein paar Kilometer von Stresa entfernt.«
»Wow!«
»Ja, ich sprach mit einer Nachbarin, die Frau Mahler das Hotel empfohlen hatte. Hotel Milan du Lac. «
»Da mieten wir uns auch ein!«
Den Rest des Tages verbrachte ich mit Reisevorbereitungen. Wagen auftanken, Route berechnen, Proviant zusammenstellen und die neuesten Karten beschaffen. Ich schaute mir den Lago Maggiore im Internet an: Er war sehr länglich geformt. Urlaubsorte reihten sich wie Perlen aneinander. Ein Touristengebiet mit Tradition. Seit einhundertfünfzig Jahren tummelten sich dort Besucher aus aller Herren Länder und genossen die Annehmlichkeiten der Gegend: mildes Klima, Palmen, Oleander und Wellness- und Medizinangebote, die Leute über fünfzig zu schätzen wissen.
Mit Brot wirft man nicht
Hart gekochte Eier sind die beste Nahrung für lange Autofahrten. Sie sättigen, sind einfach zu bedienen und ihre Verdauung macht nicht schläfrig. Ein Klecks Senf oben drauf gibt ihnen eine angenehme Würze. Das galt
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