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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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war das Jüngste Gericht. Mephisto persönlich, mit den Gesichtszügen von Gustaf Gründgens, kam zur Tür herein und wollte ihre Seele einfordern.
    „Was ist denn hier wieder los?“, fragte er.
    Es war der lange Pfleger, Max. Er ging ans Fenster und kurbelte die Rollläden hoch. Nun kam das grelle Licht auch von hier aus herein ... Sonnenlicht!
    „Ach, Grüß Gott, Frau Degner. Jetzt sehe ich Sie erst.“
    Für einen Moment war sie total durcheinander und unsicher, ob sie träumte oder nicht.
    Der Pfleger setzte sich auf den Bettrand. „Wenn Sie tagsüber auch noch die Jalousien runterlassen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Sie Frühstück und Abendessen verwechseln.“
    Max hatte keinen Nachtdienst, das wusste Elvira Degner. Und die Sonne schien ...
    „Welche Mahlzeit bringe ich Ihnen gleich rein? Hm? Können Sie mir das sagen?“
    Es war halb drei und es schien etwas zu Essen zu geben ... „Kaffee?“
    „Ihren Nachmittagskaffee, richtig getippt. Willkommen zu Hause in der Gegenwart. Das Mittagessen haben Sie verschlafen, hat mir Schwester Renate gesagt. Wohl eine unruhige Nacht gehabt?“
    Das traf den Nagel auf den Kopf! Woher wusste er das?
    „Ich bringe Ihnen mal den Kaffee. Vielleicht ist der Streuselkuchen auch Ihr Geschmack.“ Er klappte das Brett des Nachttischs aus, ging hinaus in den Lärm und kam mit einem Tablett wieder herein. Vorsichtig stellte er es auf dem Klapptischchen ab. „Kommen Sie, verschlafen Sie nicht den ganzen Tag. Soll ich Ihnen Kaffee einschenken?“ Er tat es einfach. Dann ging er zur Stummen hinüber, redete mit ihr und hantierte an ihr herum.
    Elvira Degner blieb liegen und schaute sich im Zimmer um. Die grauen Schatten waren verschwunden. Die Wände waren nun beige, die eine leuchtete sogar hell im Sonnenlicht. An der leuchtenden Wand stand ihre alte Kommode aus gutem Eichenholz. Auf den kunstvollen Besätzen sonnte sich weißer Staub. Oben auf der Kommode die Bilder ihrer fernen Familie: die Kinder, die Eltern und Herbert, der einmal so jung gewesen war wie dieser Pfleger hier.
    Der stand in schneeweißem Hemd und ebenso weißer Hose mit dem Rücken zu ihr vor dem Bett der Stummen. Max war nicht so ein Mensch wie die blonde Schwester, die wie eine Gans schnatterte und sie einfach aus dem Bett zerrte.
    Als er mit der Stummen fertig war, kam er wieder herüber und setzte sich nochmal auf den Bettrand. Sie musste immer an Herbert denken, als der noch jung gewesen war, wenn sie Max ansah. Der Pfleger war zwar einen Kopf größer als ihr verstorbener Ehemann, aber er hatte dasselbe spitzbübische Lächeln.
    Er schaute einen Moment zur Tür, dann wieder zu ihr, und seufzte: „Wenn Sie tagsüber im Bad das Licht aus- und die Jalousien oben lassen würden, wäre Ihnen Frau Schulze sicher dankbar. Sie kann's Ihnen leider nicht sagen, aber sie kommt so total durcheinander. Und ein bisschen Sonne braucht sie auch, genau wie Sie, Frau Degner.“
    Sie sagte nichts, schaute ihn nur an.
    „Tun Sie mir den Gefallen? Mir, Frau Schulze und sich selber?“ Er ging ins Bad und knipste das Licht dort aus.
    „Graue Schatten, schwerer als je im Jahr ...“ rutschte es Frau Degner heraus. Der Pfleger stand vor der Badtür und sah sie fragend an: „Bitte?“
    „Da stand er, der graue Schatten.“ Sie deutete aufgeregt zur Tür. Jetzt war die unheimliche Szene wieder präsent, alles Verdrängen hatte nichts genutzt. Sie musste mit Herbert reden!
    Max sah kurz zur Tür, kam dann kopfschüttelnd zurück und setzte sich abermals aufs Bett. „Was für ein Schatten, Frau Degner?“
    Sie musste es ihm sagen! Wem, wenn nicht Herbert? – Max, natürlich! Der andere, Kevin, sagte, er habe die nächsten Tage frei. Und der Rest ..., die verstanden sie alle nicht. „Ein grauer Schatten! In der letzten Nacht war er im Zimmer. Könnten Sie bitte nachts das Licht anlassen?“
    „Sie meinen im Bad?“
    „Bitte, ja.“
    Max schien Frau Degners Miene zu studieren und zu überlegen, was er von ihrer Bitte halten sollte. „Aber Sie haben doch schon öfters graue Schatten gesehen, und Sie sind trotzdem nachts im Dunkeln auf Toilette gegangen, nicht?“
    „Der war noch nie hier gewesen.“ Ein Schauer lief ihr über den Nacken, als sie wieder daran dachte.
    „Sie meinen also, letzte Nacht war jemand in ihrem Zimmer und jetzt haben Sie nachts Angst.“
    Sie nickte und hauchte ein ehrfürchtiges: „Ja!“
    „Und Sie sind sich sicher, dass Sie nicht geträumt haben?“
    „Ganz sicher, Max“,

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