Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)
gesichert.«
Als versuche Gott sie ein weiteres Mal zu verspotten, krachte ein schwerfälliger Körper gegen die Wohnungstür. Die Wände erzitterten. Im Flur fiel etwas scheppernd zu Boden. Demi schrie auf, verbarg ihren Mund allerdings in der nächsten Sekunde in der Armbeuge. Wieder schlug etwas gegen die Tür, begleitet von heiserem Knurren. Es klang wie weit entfernter Donner, der über den Himmel rollte. Demi schloss die Augen und schluchzte leise. Murphy nahm sie fester in den Arm und drückte sie gegen seine Brust. Wulf und Daryll sahen sich an. Ein jeder erkannte die eigene Furcht in den Augen des anderen.
»Du hast sie mit deinem verdammten Motorrad angelockt«, zischte Murphy und streichelte mit hektischen Handbewegungen Demis Haar.
Der Fremde warf ihm einen ernsten Blick zu, der seine Schuld eingestand, den alten Mann jedoch gleichzeitig anwies, die Klappe zu halten. Daryll beschloss, trotz der Situation und den rasenden Gedanken, die seinen Kopf zu zerbersten drohten, dass er den hünenhaften Mann mochte.
»Was sollen wir tun«, flüsterte Demi mit erstickter Stimme. Ihr Gesicht glänzte vor Tränen. Das Weiß ihrer Augen schimmerte rot.
Murphy schüttelte den Kopf. »Sie kommen in jeder Nacht. Sie wissen, dass hier jemand lebt. Aber es waren noch nie so viele.«
Sein Blick wechselte zwischen dem Fenster und seinem Gewehr, das neben Wulfs Waffe an der Wand lehnt. Er stand auf, wobei er Demi behutsam aus seinem Griff entließ, ging zu den Waffen und kam mit ihnen zum Bett zurück. Das kümmerliche Licht, das durch den Rollladen in den Raum tröpfelte, reichte aus, um die Welt in silbergraue Schatten zu tauchen.
»Wir können nur warten, bis sie wieder abziehen. Dann werden wir uns Gedanken machen müssen.«
Durch den Boden drang plötzlich wildes Geheul und das dumpfe Poltern von Hufen. Daryll glaubte zu hören, wie Dosen über den Boden rollten. Er konnte kaum noch atmen. Seine Kehle schmerzte vor Angst.
»Sie sind im Laden«, brummte Murphy, schloss die Augen und ließ sich zusammen mit Demi gegen die Wand sinken. Sie wirkten wie zwei alte Menschen, die alles hinter sich zurückließen.
In dieser Nacht sprach keiner mehr ein Wort.
VIII
Als am nächsten Morgen Tageslicht wie grauer Morast ins Zimmer floss, fielen Daryll und Demi in unruhigen Schlaf. Murphy selbst war in der Nacht irgendwann eingenickt, jedoch nach wenigen Minuten bereits wieder aufgeschreckt. Viel mehr Schlaf hatte er in den letzten beiden Wochen nicht bekommen. Wulf war in der Nacht mit seinem Gewehr zum Fenster gegangen, um nach draußen zu schauen. Murphy bemerkte, wie sich die enormen Hände des Mannes fest um Kolben und Lauf der Waffe gelegt hatten. Irgendwann war Wulf dann zum Bett gekommen, hatte sich auf einen der Sessel gesetzt und vor sich hin gestarrt. Erst als es draußen ruhiger wurde und sich das höllische Jaulen der Bestien immer weiter vom Haus entfernte, schien er sich zu entspannen. Er hielt die Augen geschlossen, das Gewehr aufrecht zwischen den Beinen stehend. Seine Brust hob und senkte sich in gleichmäßigem Rhythmus.
Murphy rieb sich die Müdigkeit aus den Augen und betrachtete das schlafende Mädchen in seinem Arm. Ihr Gesicht wirkte wächsern wie das einer Leiche. Die Augen hinter den Lidern zuckten.
»Wir können hier nicht bleiben«, sagte Wulf mit ruhiger Stimme. Seine Augen blieben weiterhin geschlossen.
»So schlimm wie heute Nacht war es noch nie.« Murphy legte Demi behutsam auf das Bett, stand auf und ging zu einem alten Kupferkessel, den er in einem großen Eimer mit Wasser füllte. Dann setzte er ihn auf seinen kleinen Kocher und entzündete die Flamme. »Kaffee?«
Wulf schien jetzt erst zu erwachen. Sein Blick fiel auf den verbeulten Kessel. Dann nickte er.
»Ich habe auch Kakao für die Kleinen«, fügte Murphy hinzu, ging zu einem altmodischen Schrank in der Ecke und nahm vier Tassen heraus. Während er Pulver in die Tassen gab, stand Wulf auf, streckte sich stöhnend und ging zum Fenster. Vorsichtig spähte er nach draußen. Er konnte seine Maschine auf dem Boden liegen sehen. Eine der Kreaturen musste sie in der Nacht umgestoßen haben.
»Alles ruhig.«
Murphy warf ihm einen flüchtigen Blick zu, als er mit den Tassen zum Bett kam und sie auf dem runden Tisch abstellte. Das Wasser begann leise zu kochen.
»Sie verschwinden immer, wenn es hell wird. Sie verstecken sich in den Wäldern oder sonst wo. Ich habe keine Ahnung.«
»Es tut mir leid, dass ich die Viecher mit meinem Lärm angelockt
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