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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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Tür, griff nach seinem Gewehr und drehte sich dann noch einmal um.
»Ihr bleibt hier«, fauchte er. »Du passt auf Demi auf, Jungchen.«
Daryll nickte, griff nach seiner Magnum und legte sie auf seinen Schoß. Demi verfolgte jede seiner Bewegungen.
»Ich lese auch gerne«, sagte Demi plötzlich und sah dabei Daryll an. Die Waffe zwischen ihnen schien selbstverständlich zu sein.
»Alles, was mit Indianern zu tun hat. Ich habe auch Lederstrumpf gelesen.«
Daryll nickte, wobei er mit einem Ohr nach draußen lauschte. Er war angespannt. Jedes Härchen auf seinem Körper schien aufgerichtet. Am liebsten wäre er Murphy mit seiner Magnum gefolgt. Was würde mit ihnen passieren, wenn der Fremde den alten Mann einfach über den Haufen schoss und beschließen sollte, das Haus zu seinem Domizil zu machen? Es galten neue Gesetze in diesem Land. Man musste sich nehmen, was man brauchte und was zu haben war.
»Hast du eine Waffe?«
Welch bizarre Frage, die er da einem zwölfjährigen Mädchen stellte. Noch vor zwei Wochen hätte er es nicht geschafft, sie auf eine Limonade einzuladen. Und jetzt saßen sie hier, in einem stinkenden, nur von Kerzenschein erhellten Zimmer und unterhielten sich über Waffen.
»Nein. Das heißt … ich hatte eine.« Demis Blick wurde traurig. »Mein Dad hat sie mir gegeben, als wir Boston verlassen mussten. Aber ich habe sie verloren.«
Daryll betrachtete seine Magnum, die im Kerzenlicht matt funkelte. Wieder einmal fragte er sich, ob er in der Lage war, sie abzufeuern. Eine Pistole zu besitzen und diese zu benutzen, waren zwei Paar Stiefel.
Vor dem Haus konnte er Stimmen hören. Dazu den Wind, der am Fensterladen rüttelte. Er spürte plötzlich eine Gänsehaut, doch er vermied es, sie mit Furcht zu assoziieren.
»Wie war es in Boston?«, fragte er und konzentrierte sich auf Demi, um sich nicht seiner Angst stellen zu müssen.
»Am Anfang war es gut«, flüsterte das Mädchen. »Wir waren eine kleine Gruppe von Überlebenden, die sich in einem Hospital verbarrikadiert hatten. Jeder hatte seine Aufgaben, das lenkte uns vom Tod ab. Aber dann brachte mein Dad Alicia mit.«
Daryll sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Eine Infizierte.« Demi hustete. Speichel rann ihr über den Handrücken. »Wenn sie von den Kreaturen gebissen werden, verändern sie sich. Aber das wussten wir damals noch nicht.«
Die Stimmen vor dem Haus verstummten. Schritte waren zu hören, schwere Stiefel, die auf Sand knirschten.
»Alicia veränderte sich auch. Sie hat alle getötet. Außer meinen Dad und mich. Meine Mutter …«
Sie verstummte, in ihren Augen glitzerten Tränen wie Diamanten im Kerzenlicht. Daryll ergriff ohne zu zögern ihre Hand und drückte sie. Sie fühlte sich kalt und zerbrechlich an. Er hatte das Gefühl, eine Porzellanpuppe zu berühren.
»Denk nicht darüber nach«, versuchte er Murphys Philosophie aufzugreifen. »Wir müssen uns auf das Jetzt konzentrieren. Für alles andere haben wir später noch genug Zeit.«
Er hörte, wie die Tür zur Wohnung aufgeschlossen wurde und die schweren Schritte durch den Flur polterten. Dann fiel die Tür mit einem lauten Knall wieder ins Schloss, die Riegel wurden vorgelegt. Darylls Hand wanderte zu seiner Waffe. Er zielte auf die Tür, hielt die Magnum allerdings so, dass man sie auf den ersten Blick nicht sehen konnte. Plötzlich wusste er, dass er sie benutzen konnte.
Im nächsten Moment wurde die Tür geöffnet und Murphy kam gebeugt und außer Atem ins Zimmer. Sein Gesicht war rot von der abendlichen Kälte, sein Haar stand wirr vom Kopf.
Hinter ihm erschien ein riesiger Schatten in der Tür, der den Raum trotz der Kerzen zu verdunkeln schien. Daryll dachte für den Bruchteil einer Sekunde an das Abbild jener Gestalt in der Eingangstür von ›Tenberries‹, die ihm Mary Jane genommen hatte.
Im nächsten Augenblick trat ein Mann in den Raum, der sich ducken musste, damit sein Kopf nicht gegen den Türsturz schlug. Als er sich im Zimmer aufrichtete, erschien er Daryll wie ein Riese.
Er trug eine staubbedeckte Lederhose und eine zerrissene Jacke, ebenfalls aus Leder. Seine Stiefel waren mit silbernen Schnallen übersät, die jedoch schmutzig und schwarz angelaufen waren. Er fuhr sich mit einer Hand, die Daryll an eine Gartenschaufel erinnerte, durch das struppige, lange Haar und legte ein kantiges, jedoch freundliches Gesicht frei. Eine große Narbe verlief von der Stirn am Auge vorbei bis zum Kinn. Der Blick des Mannes war klar, verbarg jedoch seine

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