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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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abzuwenden. »Er hieß Mikey.«
Murphy blickte auf. In seinen Augen standen Fragen, die er allerdings nicht stellte. Dann sah er wieder auf das Foto. »Ich weiß nicht, was aus Jeff geworden ist. Er war nach Kalifornien gegangen um sich eine eigene Kanzlei aufzubauen. Er war Anwalt, weißt du. Aber er hat seine Wurzeln nie vergessen.« Als Murphy diesmal aufblickte, glitzerten seine Augen feucht. »Wann immer er es einrichten konnte, kam er mich mit seiner Familie besuchen. Das letzte Mal war er im Sommer hier gewesen.« Er verstummte, schniefte und legte das Foto auf die Kiste neben den Bären zurück. »Ich weiß nicht, ob er noch lebt. Aber ich glaube wohl eher nicht.«
In seinem Tonfall schwang etwas Endgültiges mit. Eine tiefe Resignation, mit der er wahrscheinlich all die Schicksalsschläge in seinem Leben akzeptierte. Die Worte sollten hart klingen, doch Wulf erkannte darin eine Menge Wut und unendliche Trauer.
»Wir sollten uns beeilen«, sagte er, um ein anderes Thema anzuschneiden. Er griff nach seiner Pumpgun und hielt sie quer vor die Brust. »Ich werde mich draußen umsehen. In der Zeit könnt ihr euch bereit machen.«
Murphy nickte unsicher. Wulfs Plan, allein nach draußen zu gehen, erschien ihm zu gefährlich. »Ich werde dir vom Fenster aus Feuerschutz geben“, sagte er und begann die zahlreichen Schlösser an der Stahlplatte zu lösen.
Wulf nickte. Als Murphy vorsichtig die Tür öffnete, brandete ihnen kalte, nach feuchter Erde duftende Luft entgegen. Doch da war noch ein anderer Geruch, der sich wie Nebelfetzen durch den Tag zu ziehen schien. Der Gestank von Tieren und Ausscheidungen.
Wulf wartete, bis der alte Mann mit seinem Gewehr im Wohnzimmer verschwunden war. Er wusste nun, dass Murphy ihm mit der Waffe den Rücken freihalten würde. Vorsichtig stieg er die Stufen hinunter, darauf bedacht, so wenig Lärm wie möglich zu verursachen. Doch die Stufen knarrten unter seinem Gewicht. Und als er sich langsam über den Parkplatz bewegte, knirschten Sand und kleine Steine unter seinen Stiefeln. Er ging bis zu seiner Maschine, einer altertümlichen Enduro, und begutachtete mit Verbitterung das, was davon übrig geblieben war. Die Kreaturen hatten sie umgestoßen und die Verkleidung sowie die Lenkstange mit ihren Hufen zertrampelt. Die Sitzbank war von scharfen Krallen zerfetzt worden.
Wulf hatte lange gebraucht, um die Maschine, die er vor unzähligen Jahren von einem Kumpel gekauft hatte, wieder auf Vordermann zu bringen. Es gab Zeiten, in denen er mehr Zeit mit der Enduro als mit seiner Frau verbracht hatte. Mikey war oft mit ihm an Sonntagen zu den Seen rund um Deep River gefahren. Jetzt lag sie nutzlos und entweiht im Dreck. Eine der Kreaturen hatte ihre Notdurft in die Speichen der Räder verrichtet.
Wulf blickte sich um, die Pumpgun im Anschlag. Seine Augen streiften den Wald hinter dem Haus und blieben auf den beiden alten Wagen haften. Alles schien ruhig zu sein. Und doch fühlte er sich von unzähligen Augenpaaren beobachtet.
Als er sich zum Haus umdrehte, sah er Murphys Waffe zwischen den Holzläden aufblitzen. Er hob den Daumen, dann ging er mit vorsichtigen Schritten zur Treppe zurück. Überall lagen abgebrochene Äste und ausgerissene Sträucher. Vor den Stufen der Veranda konnte Wulf zertretene Dosen und aufgerissene Tüten sehen, deren Inhalte über den ganzen Boden verstreut lagen. Dazwischen erkannte er getrocknete Kothaufen und Pfützen. Der Gestank war überwältigend und erinnerte ihn an verschmutzte Tierställe. Als er die Tür erreichte, erwartete Murphy ihn schon, wobei er mit der Waffe an ihm vorbei ins Freie zielte, um potentielle Angreifer abwehren zu können. Wulf ging der Gedanke durch den Kopf, dass Murphy früher einmal Soldat gewesen sein musste. Doch er schwieg.
Als der alte Mann die Schlösser hinter ihm verriegelte, atmete Wulf erleichtert auf. Erst jetzt spürte er eine bleierne Anspannung, die ihn auf dem Parkplatz gefangen gehalten hatte und jetzt wie alte Haut von ihm abfiel.
»Es scheint ruhig zu sein«, sagte er mit einem Blick auf die Kisten und Taschen, die sich im Korridor türmten. »Ich würde sagen, ich lade die Sachen zusammen mit Daryll auf. Du gibst uns wieder Feuerschutz.«
Murphy nickte. Erleichtert, sich nicht ungeschützt vor dem Haus aufhalten zu müssen.
Wulfs Pranke legte sich auf Darylls schmächtige Schulter und drohte sie zu zerquetschen. »Wir müssen leise sein, Kumpel«, sagte er eindringlich zu dem Jungen. »Kein unnötiger Lärm,

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